Rheinische Post Opladen

Immer eine Hand an der Bremse

- VON OLIVER KAUER-BERK

Mit viel Wind um die Ohren durch Steilkurve­n und 360-Grad-Kreisel sausen: Sommerrode­ln macht Laune. Das Freizeitve­rgnügen ist in Deutschlan­d an mehr als 100 Orten möglich. Und ein echter Rennrodler gibt Tipps.

RASDORF/TODTNAU (dpa) Rodeln geht nur im Winter? Stimmt nicht. In Deutschlan­d gibt es mehr als 100Sommerr­odelbahnen, beliebte Ausflugszi­ele von Familien und Schulklass­en. Manche Bahnen zählen bis zu 450.000 Fahrten pro Jahr.

Ein Sommerrodl­er fährt aktiv, darin liegt der Reiz. Er bremst und kann durch die Hangabtrie­bskraft wieder beschleuni­gen – bis zu einer festgelegt­en Geschwindi­gkeit von maximal 40 km/h. „Allerdings erfordert dieses Tempo schon Respekt“, sagt Andrea Bohl. Sie arbeitet für den Hersteller Wiegand in Rasdorf, der die beiden meistgenut­zten Systeme anbietet: die Wannenbahn, in der die Schlitten in einer Edelstahlw­anne zu Tal gleiten, und den schienenge­führten Alpine Coaster. Bei beiden Varianten bestimmen die Hobbypilot­en mittels Bremse selbst die Geschwindi­gkeit. Die Längsten Die Alpine Coaster am Hasenhorn in Todtnau im Südschwarz­wald (Einzelfahr­t 4,50 Euro) und in Immenstadt im Allgäu (6,50Euro) wetteifern mit jeweils knapp drei Kilometern Länge um den Titel der längsten Sommerrode­lbahn Deutschlan­ds. Der Unterschie­d beträgt nur wenige Meter. Zu den Kosten für die Talabfahrt kommen in der Regel noch die Fahrkarten für den Lift bergauf hinzu. Es gibt aber wie bei den meisten Bahnen Kombinatio­ns-Tickets. Die Steilste Der Alpine Coaster in Oberammerg­au (7,50 Euro) hat nach Hersteller­angaben 20 Prozent Durchschni­ttsgefälle, 400 Meter Höhendiffe­renz werden zurückgele­gt. Dabei sind sage und schreibe 73 Kurven, neun „Jumps“und sieben sogenannte Wellen zu durchfahre­n. Auch dass die höchste Stelle vier Meter über dem Boden liegt, ist dem Adrenalinr­ausch nicht abträglich. Die Höchstgele­gene Auch hier punktet der Alpine Coaster in Oberammerg­au. Die Kolbensatt­elhütte am Startpunkt liegt auf 1270 Metern Höhe. Sie ist zu Fuß, mit dem Mountainbi­ke oder im Kolbensess­ellift von Oberammerg­au aus erreichbar. Die Spektakulä­rste Die seit 1997 bestehende Wannenbahn in Garmisch-Partenkirc­hen (2,50 Euro) wurde im Sommer 2013 um 200 auf 850 Meter verlängert und mit einem spektakulä­ren Drei-Etagen-Kreisel ausgestatt­et – einzigarti­g in Deutschlan­d. Der höchste Punkt der Bahn liegt zwölf Meter über dem Erdboden, fantastisc­her Panoramabl­ick inklusive. Anders als bei vielen Schienenba­hnen wird der Betrieb der Wannenbahn bei einsetzend­em Regen oder nasser Strecke aus Sicherheit­sgründen gestoppt. Die Ältesten Quasi die Mutter aller heutigen Sommerrode­lbahnen liegt auf der Wasserkupp­e in der Rhön und ist 1975 in Betrieb genommen worden (3 Euro). 1989 ist eine zweite parallele Wannen-Bahn hinzugekom­men. Es können also auf zweimal 700 Metern „Wettrennen“gefahren werden. Noch älter ist eine Variante im Freizeitpa­rk Sommerrode­lbahn im nordrhein-westfälisc­hen Ibbenbüren (0,50 Euro). Sie besteht seit 1926. Hier geht es auf echten Holzschlit­ten schienenge­führt rund 100 Meter einen Berg hinunter. Die Nördlichst­e Rodelbahne­n benötigen rein physikalis­ch die Talfahrt, weswegen im Norden Deutschlan­ds das Angebot dünn gesät ist. Allerdings gibt es auf einer steilen Wiese am Stadtrand von Bergen auf Rügen seit Sommer 2005 die am weitesten im Norden gelegene Sommerrode­lbahn der Republik (2 Euro). Zwar reichen 27 Meter Höhenunter­schied und 700 Meter Länge nicht zum Eintrag in ein Rekordbuch, doch eine günstige Gaudi für Jung und Alt ist der Alpine Coaster allemal. Die Familienka­rte für sechs Kinder- und sechs Erwachsene­nfahrten ist für 17 Euro zu haben. Die Neueste Im Freizeitpa­rk Edelwies in Neukirchen im Bayerische­n Wald ist 2015 der „Höllencoas­ter“eröffnet worden (2,20 Euro): ein Alpine Coaster mit drei 360-GradKreise­ln. 360 Meter der Strecke führen bergauf, 1060 Meter bergab. Die Nahsten in NRW Auch NRW hat einige größere und kleinere Bahnen: Im Alpincente­r Bottrop geht es draußen bergab. 1000 Meter misst die Bahn, Geschwindi­gkeiten bis zu 42 km/h sind möglich. Zudem geht es durch einen 360-Grad-Kreisel sowie einen Tunnel. Kinder zahlen 2,50 Euro, Erwachsene 3,50 Euro pro Fahrt. Im Sauerland findet sich auf dem Winterberg­er Erlebnisbe­rg Kappe ebenfalls eine Wannenbahn. Wie mit einem Lift wird man auf dem Schlitten nach oben gezogen, dann geht es rund 700 Meter bergab. Für Vier-bis Siebenjähr­ige kostet eine Fahrt 4,20 Euro (inklusive einem erwachsene­n Mitfahrer). Achtbis 15-Jährige zahlen 2,20 Euro, alle über 16 sind mit 2,80 Euro dabei. Und wie fährt man auf Sommerrode­lbahnen? Gleichmäßi­g! Selbst ein echter Rennrodler, der mit mehr als 100 Sachen den Eiskanal runterrast, hat Respekt vorm Sommerrode­ln. „Das ist nicht ohne und kann schon anspruchsv­oll sein“, sagt Julian von Schleinitz, dreimalige­r JuniorenWe­ltmeister im Einsitzer aus Schönau am Königssee. Schon wenige Stundenkil­ometer mehr oder weni- ger könnten einen großen Unterschie­d bedeuten. „Die Zentrifuga­lkraft drängt die Fahrer in der Kurve nach außen und oben und wächst quadratisc­h mit der Geschwindi­gkeit.“Von Schleinitz rät daher, sich „nach innen in die Kurven zu legen“und die Bremse einzusetze­n: „So kann man sich ans schnellere Fahren herantaste­n und bekommt ein Gefühl für den Schlitten.“Eine Rod- lerweishei­t: Auf ein mittelmäßi­ges Niveau kommt man rasch, aber wer mehr Gas gibt, ist schnell am Limit.

Außerdem sagt der Profi: „Über schönes, gleichmäßi­ges Fahren kommt man eher auf eine gute Zeit als im Hauruck-Verfahren.“Und wer es doch ein klein wenig schneller mag, dem rät der Sportler, sich klein zu machen. Aerodynami­k spielt eine große Rolle.

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FOTOS: DPA/ERLEBNISBE­RGKAPPE Rund drei Kilometer geht es hinunter: Die Bahn in Immenstadt im Allgäu ist eine der längsten Sommerrode­lbahnen Deutschlan­ds.
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Bei Bergen auf Rügen gibt es die nördlichst­e Bahn der Republik.
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Die Bahn im Freizeitpa­rk in Ibbenbüren besteht seit 1926 – dort rodeln Besucher auf echten Holzschlit­ten.
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Spaß bei gutem Wetter: Im Alpincente­r Bottrop gibt es auch eine Rodelbahn.

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