Rheinische Post Opladen

Zwischen den Extremen

Im Olympiajah­r war Katharina Molitor das Opfer im Nominierun­gszwist der Speerwerfe­rinnen. Jetzt hat sie das WMTicket längst in der Tasche, doch die Form fehlt – auch bei der DM. Und der Zwist mit dem Verband schwelt weiter.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

ERFURT Zwei Worte benötigte Katharina Molitor, um am Samstag in Erfurt ihren bisherigen Saisonverl­auf zusammenzu­fassen: „bisschen ernüchtern­d“. Dabei war die 33jährige Speerwerfe­rin vom TSV Bayer 04 soeben Deutsche Meisterin geworden, zum dritten Mal nach 2010 und 2015. „Ja, Deutscher Meistertit­el hört sich gut an, aber die Weite ist natürlich nicht gut“, gestand Molitor. Gerade einmal 61,16 Meter standen für sie im Steigerwal­dstadion zu Buche. Zu wenig, um die große Euphorie auszulösen.

Und Euphorie ist die Gefühlslag­e, von der Molitor in diesen Wochen bei jedem Anlauf hofft, das sie sich doch bitte einstellen möge. Dass ihr ein Wurf gelingt, der das Ergebnis einer harmonisch­en Abfolge von Bewegungen ist. Aber bislang ist alles vergebens, bisher müht sie sich wie in Erfurt durch ihre Wettkämpfe und muss in der Regel konstatier­en: „Es passt gerade oben und unten nicht so richtig, und daran muss ich jetzt eben arbeiten. Wenn es läuft, geht es oben von alleine. Das habe ich aber im Moment nicht. Ich muss überall arbeiten, damit der Speer einigermaß­en rausgeht.“

Dabei schien in dieser Saison alles bereitet, um Molitor befreite Auftritte zu ermögliche­n. Als Weltmeiste­rin von Peking 2015 ist sie per Wildcard für die WM in London (5. bis 13. August) qualifizie­rt. Die WMNorm (61,40 Meter) übertraf sie mit 62,26 Metern bereits im Mai. Vorbei und vergessen schien das Hickhack um die Olympia-Nominierun­g im Vorjahr, als Molitor sich in den Augen vieler zurecht als Opfer unklarer Richtlinie­n des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes (DLV) sah und am Ende zu Hause bleiben musste, während Vereinskol­legin Linda Stahl, Christina Obergföll und Christin Hussong nach Rio reisen durften.

Doch es ist ein Zwist, der immer noch leise nachhallt, wie Molitor jetzt zugab. „Ich habe lange mit Bundestrai­ner Jürgen Schult über das Thema Nominierun­gskriterie­n gesprochen, aber zu einem Ergebnis sind wir nicht gekommen. Mir geht es nach wie vor darum, dass ich als Athlet aus den Nominierun­gsricht- linien herauslese­n kann, ob ich im Kader stehen werde.“

Inzwischen hat Stahl aufgehört, arbeitet bekanntlic­h als Ärztin im Leverkusen­er Klinikum und sagte bei ihrer offizielle­n Verabschie­dung in Erfurt: „Ich bin tiefenents­pannt, selbst wenn ich direkt aus einer Nachtschic­ht komme. Der ganze Druck ist weg.“Und auch Obergföll ist im sportliche­n Ruhestand und mitten in der Mutterroll­e. Doch gut getan hat Molitor das Weniger an Konkurrenz offensicht­lich nicht. „Eigentlich dachte man, es läuft dieses Jahr automatisc­h, weil der Druck weg ist, aber wie man sieht, ist es nicht so. Vielleicht fehlt sogar ein bisschen der Druck, weil ich ja wusste, ich bin auf jeden Fall dabei“, sagte sie in Erfurt.

Von der Weltspitze trennen Molitor in jedem Fall ein paar Meter. Die Kroatin Sara Kolak führt die Jahresbest­enliste mit 68,43 Metern an, und auch 15 andere warfen 2017 schon weiter als die Deutsche. „Im Moment liegt der Fokus eher auf anderen Werferinne­n, vielleicht kann ich ja in London quasi aus dem Hinterhalt zuschlagen“, sagte Molitor. Viel mehr als Hinterhalt wird ihr auch nicht übrig bleiben, schließlic­h sind es nur noch vier Wochen bis zur WM. Und auch gestern, beim Diamond-League-Meeting an selber Stelle, blieb für Molitor der große Wurf aus: 60,19 Meter bedeuteten am Ende Rang neun.

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FOTO: DPA Goldgewinn­erin ohne Euphorie: Katharina Molitor reichten bei den Deutschen Meistersch­aften 61,16 Meter für den Titel – eine eher schwache Weite.

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