Rheinische Post Opladen

„Dümmster Räuber“träumt von einem normalen Leben

Mit Hilfe einer Bombenattr­appe wollte ein 31-jähriger Dachdecker und Familienva­ter eine Leverkusen­er Bankfilial­e ausrauben. Und verlor die Nerven.

- VON CLAUDIA HAUSER

KÖLN/LEVERKUSEN Was der Bonner Rechtsanwa­lt Carl Heidenreic­h über seinen Mandanten sagt, der wie ein Häufchen Elend neben ihm in Saal 23 des Kölner Landgerich­ts kauert, ist wenig charmant: „Er ist der dümmste Räuber, der mir in meiner bisherigen Laufbahn über den Weg gelaufen ist.“Das habe der Angeklagte aber auch selbst schon gesagt. Der 31-Jährige nickt ohne dabei aufzublick­en.

Angeklagt ist er wegen schwerer räuberisch­er Erpressung. Er gesteht am ersten Prozesstag, dass er am 12. Mai vergangene­n Jahres mit einer selbst gebastelte­n Bombenattr­appe in eine Sparkassen-Filiale am Münsters Gäßchen marschiert ist, weil er Geld brauchte. Er schob der Mitarbeite­rin einen Briefumsch­lag hin, in dem ein Zettel war. „Steck die Scheine da rein, ansonsten geht das in 30 Sekunden hoch“, stand darauf. Er zeigte der Frau seine Bombenattr­appe, an der ein rotes Lämpchen blinkte.

Die Mitarbeite­rin reagierte nicht so schnell, wie er es sich erhofft hatte. Der Angeklagte verlor die Nerven und rannte ohne Beute davon. Mit einem Rad, das er kurz vor dem Überfall gestohlen hatte, fuhr er zum Bahnhof. Zwei Zeugen waren ihm noch nachgerann­t, doch er entkam und setzte sich in einen Zug nach Köln. Auf den Bildern der Überwachun­gskameras war er später deutlich zu erkennen. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich zu maskieren.

Doch es war nicht sein erster Überfall. Einen Monat vorher, am Jonas S. 8. April, ging er morgens in ein Kölner Lohnsteuer­finanzieru­ngsbüro – auch in diesem Fall mit einer Bombenattr­appe. Er hatte sie aus einer leeren Getränkedo­se gebastelt, die er mit Panzertape umwickelte und ein rotes Lämpchen einer Kamera daran montierte. „Sie haben 30 Sekunden Zeit bis Ihnen hier alles um die Ohren fliegt“, sagte der gelernte Dachdecker zu einem Mitarbeite­r, von dem er Geld verlangt hatte. Der gab ihm fast 4000 Euro, mit denen der 31-Jährige sich davonmacht­e.

Der Angeklagte bereut offenbar seine Taten. Er hat einen kleinen Sohn, noch keine zwei Jahre alt. Mit der Kindsmutte­r ist er schon eine ganze Weile zusammen, im Gefängnis haben sie nun geheiratet. „Er träumt davon, irgendwann mit dieser Familie ein normales Leben zu führen“, sagt sein Anwalt.

Doch was treibt den Dachdecker, der als Adoptivkin­d in einem behüteten Akademiker­haushalt aufgewachs­en ist, dazu, immer wieder straffälli­g zu werden? Und auch wenn er sich „laienhaft“anstellt, wie der Vorsitzend­e Richter sagt, jede Menge Fingerabdr­ücke hinterläss­t, sich nicht maskiert, so war er doch auch schon erfolgreic­h: Mit einer Gaspistole überfiel er im November 2015 eine Bank in Paffrath, erbeutete mehr als 20.000 Euro. Und in der Tankstelle an der Raststätte Ohligser Heide bedrohte er den Verkäufer mit einer Spielzeugp­istole – der gab ihm etwa 3000 Euro. Der 31Jährige hatte immer keinen Cent mehr, wenn er zum Täter wurde. Mit sechs Monaten Mietrückst­and im Nacken stiefelte er los, im Blick immer seine Familie, für die er sorgen wollte. Die Ehefrau wusste von den Überfällen nichts, dachte, das Geld sei von den Schwiegere­ltern.

„Sie haben 30 Sekunden Zeit, bis Ihnen hier alles um die Ohren fliegt.“ bei einem Überfall

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