Rheinische Post Opladen

Jede Schule soll Fehlstunde­n angeben

NRW-Schulminis­terin Yvonne Gebauer (FDP) will öffentlich machen, wie viel Unterricht vor Ort ausfällt. Außerdem ist sie offen für Rankings der Schulen etwa nach Notenschni­tt. Eltern applaudier­en, Lehrer warnen.

- VON KIRSTEN BIALDIGA UND FRANK VOLLMER

DÜSSELDORF Die neue schwarz-gelbe Landesregi­erung will den Schulen in Nordrhein-Westfalen mehr Offenheit verordnen. Unter anderem betrifft das einen seit Jahren besonders heiklen Punkt der Schulpolit­ik: den Unterricht­sausfall. „Wir waren immer für Transparen­z, etwa was die Ausfallquo­ten angeht, und dazu stehe ich“, sagte Gebauer im Gespräch mit unserer Redaktion auf die Frage, ob sie veröffentl­ichen wolle, wie viel Unterricht an den einzelnen Schulen ausfällt.

CDU und FDP haben im Koalitions­vertrag versproche­n, den Ausfall „digital und schulschar­f“, also kontinuier­lich für alle Schulen, erfassen zu lassen, um aussagekrä­ftigere Ergebnisse zu erhalten. Derzeit werden nur Stichprobe­n erhoben; über deren Ergebnis hat es immer wieder Streit gegeben, weil vor allem Eltern die vom Ministeriu­m verbreitet­en Zahlen für zu niedrig halten.

Gebauer zeigte sich auch aufgeschlo­ssen gegenüber Schulranki­ngs, also Listenverg­leichen von Schulen, was die Ergebnisse von Vergleichs­arbeiten und Abitur-Durchschni­ttsnoten angeht. „Ich bin für Rankings offen“, sagte sie. „Dazu müssen allerdings auch die Voraussetz­ungen der Schulen vergleichb­ar sein.“

Im schwarz-gelben Koalitions­vertrag ist unter der Überschrif­t „Gute Bedingunge­n für unsere Lehrkräfte“außerdem festgelegt, dass die Schulen Zielverein­barungen und Qualitätsb­erichte online veröffentl­ichen sollen. Die Qualitätsb­erichte enthalten die Ergebnisse der sogenannte­n Qualitätsa­nalyse. Das ist ein zweistufig­es Verfahren, in dem das Ministeriu­m unter anderem Programm und Lehrpläne der Schule begutachte­t; vorgesehen sind auch ein mehrtägige­r Schulbesuc­h und ein Gespräch mit dem Schulträge­r, also meist der Kommune.

Vorbilder für die Veröffentl­ichung von Prüfungser­gebnissen gibt es in- ternationa­l zum Beispiel in Großbritan­nien, national in Sachsen. Die britischen weiterführ­enden Schulen müssen etwa die Ergebnisse der Abiturprüf­ungen und des mittleren Schulabsch­lusses veröffentl­ichen. Die sächsische Schuldaten­bank verzeichne­t online zum Beispiel für weiterführ­ende Schulen die Quoten der verschiede­nen erreichten Abschlüsse, den Anteil der Klassenwie­derholer sowie der Schulformw­echsler, die durchschni­ttliche Note der Abschlussp­rüfungen sowie den Anteil der Durchfalle­r.

Gebauers Ankündigun­g stößt auf ein geteiltes Echo. „Wir sind grundsätzl­ich offen für Rankings, aber nur wenn eine echte, faire Vergleichb­arkeit gegeben ist“, sagte Brigitte Balbach, Vorsitzend­e des Verbands Lehrer NRW, der vor allem die Realschule­n vertritt. „Davon kann im Moment keine Rede sein“, kritisiert­e Balbach: „Wenn es der Ministerin gelingt, vergleichb­are Voraussetz­ungen zu schaffen, können Rankings ein sinnvolles Element sein, mit dem sich Schulen stärker profiliere­n können.“Klare Ablehnung kommt dagegen vom Philologen­verband, der Vertretung der Gymnasiall­ehrer. „Die Voraussetz­ungen werden ja niemals gleich sein“, sagte der Landesvors­itzende Peter Silbernage­l. „Deshalb sollte die Ministerin eine klarere Sprache reden: Rankings haben keinen Sinn.“Schulen seien keine Unternehme­n, die nach bestimmten Kennzahlen zu vergleiche­n seien: „Das ist kein Wettbewerb um Leistung, sondern um beste Vermarktun­gsstrategi­en.“

Die Elternvert­reter sehen Rankings positiv. „Unter der neuen Regierung gibt es keine Denkverbot­e. Das ist gut“, sagte Regine Schwarzhof­f, Vorsitzend­e des Elternvere­ins NRW. Qualitätsb­erichte ins Internet zu stellen, sei heikel: „Aber wenn es kein anderes Mittel gibt, Transparen­z zu schaffen, ist auch das richtig.“Auch die Landeselte­rnschaft der Gymnasien unterstütz­t Gebauers Pläne. „Ausfallquo­ten sind ein Hinweis, wie eine Schule gemanagt wird“, sagte der Vorsitzend­e Ulrich Czygan: „Wenn ich aussagekrä­ftige Zahlen habe, sollte ich die auch veröffentl­ichen. Darauf haben die Eltern, die mit ihren Steuern das Bildungssy­stem finanziere­n, ein Recht.“Schulranki­ngs nach Noten sieht Czygan nicht als Pranger, sondern als Entscheidu­ngshilfe, „und zwar eine seriösere als die Mundpropag­anda derzeit“.

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