Rheinische Post Opladen

Teilen ist das neue Besitzen

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Heute ist der Tag des Teilens. Sie kennen ihn nicht? Keine Sorge: Er hat sich auch noch nicht bis zu uns nach Deutschlan­d herumgespr­ochen. In den USA aber hat vor einigen Jahren eine kleine Gruppe den 15. Juli zum „National Give Something Away Day“erklärt. Von Jahr zu Jahr beteiligen sich mehr Menschen und teilen etwas: Zeit mit der Großmutter, Essen mit einem Obdachlose­n, das Auto mit dem Nachbarn oder etwas Geld mit einem wohltätige­n Projekt.

Auch in Deutschlan­d boomt das Thema Teilen. Eine regelrecht­e „Sharing Community“hat sich gebildet. Vieles organisier­t sich über soziale Netzwerke: Foodsharin­g, Leih-ein-Buch, Kleiderkre­isel, Re-

Auch in Deutschlan­d hat sich eine regelrecht­e „Sharing Community“gebildet. Doch dabei gerät der ursprüngli­che Sinn des Teilens aus den Augen.

pair-Café heißen einige der Plattforme­n im Netz, über die Menschen Jacken, Essen, Bücher oder Bohrmaschi­nen teilen oder tauschen.

Man könnte fast sagen: Teilen ist das neue Besitzen. Aus ökologisch­er und konsumkrit­ischer Sicht ist das klug. Durchschni­ttlich besitzt ein Mensch in Deutschlan­d 10.000 Gegenständ­e, Tendenz steigend. Da kann das Teilen von Autos oder Kleidung die Umwelt entlasten und Ressourcen schonen, weil weniger produziert und gekauft werden muss.

Aber wie so oft ist auch hier der Weg zur Kommerzial­isierung nicht weit. Wer sich auf den großen Sharing-Plattforme­n registrier­t, will mit seinem Besitz Geld verdienen. Das ist nicht anrüchig, nur mit der ur- sprünglich­en Idee des echten Teilens hat das nicht mehr viel zu tun.

Teilen im christlich­en Sinne heißt, solidarisc­h mit anderen zu sein, etwas von sich abzugeben – selbstlos, nicht zweckgebun­den. Dabei geht es um mehr als die berühmten Brotkrumen, die vom Tisch des Reichen fallen. So erzählt es der Evangelist Lukas (16, 19-25): Der arme, schwerkran­ke Lazarus erhält nicht mal diese Brotkrumen! Machen Sie doch mal ein Bibel-Sharing. Denn wer beginnt, die Bibel zu teilen, merkt, dass Gott alles mit uns geteilt hat. Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki schreibt hier an jedem dritten Samstag im Monat. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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