Ein Dom im grünen Tal
Idyllisch gelegen in einem Tal im Bergischen Land steht eine alte Klosteranlage. Der Altenberger Dom hat eine bewegte Geschichte, die man anhand der Einrichtungsgegenstände nachvollziehen kann.
ODENTHAL Zwischen grünen Hügeln, hinter Wegen, gesäumt von Butterblumen und Vergissmeinnicht, nicht weit vom Flusslauf der Dhünn liegt etwas versteckt der Altenberger Dom. Wer wegen des Begriffs „Dom“ein großes Gebäude voll Schnörkel und goldener Einrichtung erwartet, wird enttäuscht. Der Altenberger Dom, ein hohes, graues Kirchengebäude, hat kein großes Portal, keine Wasserspeier – und noch nicht einmal einen Turm. Und dennoch: Sehenswert ist die Anlage allemal.
Das sieht auch Petra Janke (60) so. Die Theologin und Kunsthistorikerin führt regelmäßig Touristen und Gläubige durch das Gebäude. Für die Katholikin ist die Kirche nicht nur geistliche Heimat, sondern auch Forschungsfeld. Sie klärte unter anderem den Verbleib der Grabplatte von wichtigen Mitgliedern der Grafen von Berg – die dem Bergischen Land übrigens den Namen gaben. Die Platte, die jahrzehntelang als verschollen galt, lag auf dem Boden des Altenberger Doms. Nur eben an einer anderen Stelle, als lange angenommen.
Die Grafen von Berg waren es auch, die einigen Mönchen 1133 Land in diesem Tal in Altenberg gaben, damit diese dort ein Kloster errichteten. „Klöster anzusiedeln war ein beliebtes Mittel bei Landherren, denn die Mönche kultivierten ganze Landschaften“, erklärt Janke. So auch die Zisterzienser, die allerlei Nutzpflanzen anbauten, Vieh hielten und diverse Handwerksbetriebe rund ums Kloster eröffneten. Die Zisterzienser hatten sich damals von den Benediktinern abgespalten, weil sich diese nach ihrer Auffassung nicht mehr genug auf das einfache, christliche Leben besonnen hatten. Das erklärt auch die eher schmucklose Bauweise und die damals sehr karge Einrichtung des Doms.
Diese sieht man heute zum Beispiel noch an den fast farblosen Fenstern am Ostende des Doms hinter dem Hauptaltar. Teils mehr als 700 Jahre alt sind die sogenannten Grisaillefenster, die aus gräulichem Glas gefertigt wurden. In den dennoch hübsch angeordneten Ornamentstrukturen findet sich die regionale Flora wieder. Wer genau hinschaut, kann trotz der ehemals farblosen Fenster hier und da verschiedenste Farben schimmern sehen, die in langer Zeit entstanden sind.
Über die Jahrhunderte unterlagen aber auch die Zisterziensermönche dem Zeitgeist. So blieb die Kirche nicht ganz schmucklos, und zu den farblosen Fenstern kam das bis heute erhaltene, prächtige Westfenster (erbaut 1394-97) hinzu. Golden leuchtet es vor allem am Nachmittag, wenn die Sonne durch das große Fenster über der kleinen Eingangstür bricht. „Es ist wirklich ein Meisterwerk“, sagt Janke über das Fenster, dessen feine Linien sie bei Restaurierungsarbeiten schon ganz aus der Nähe sehen konnte. Das Fenster mit verschiedenen Heiligenfiguren ist eines der größten erhaltenen Kirchenfenster des Mittelalters. Welche Teilstücke noch Originale sind, steht auf einem Faltzettel, der in der Kirche ausliegt.
Als Napoleon Anfang des 19. Jahrhunderts die Region eroberte, ließ er das Kloster auflösen. Daraufhin verfielen die Gebäude der Anlage, der Altenberger Dom wurde teils geplündert, teils wurde die Ausstattung verkauft. Auch ein Brand zerstörte Teile des Klosters. Erst zwischen 1834 und 1847 wurde das Gebäude auf Initiative der Bürger und mit Hilfe von Preußens König Friedrich Wilhelm IV. wiederhergestellt.
Auch deshalb finden sich heute nur wenige Originalgegenstände im Altenberger Dom. Einer ist die Doppelfigur der Madonna, deren zwei Maria-Figuren Rücken an Rücken vor dem Altar schweben. Als in Altenberg noch die Mönche lebten, schauten die Gesichter der Madonna zu den Längsseiten der Kirche und somit zum Chorgestühl, in dem die Mönche saßen. Vom einst riesigen geschnitzten Chorgestühl sind heute zwei kleinere, nachgeahmte Varianten zu sehen.
Original ist auch die geschnitzte Figur des Apostels Thomas, die links vor dem Gitter steht, das einst Mönche und Laien beim Gottesdienst trennte. Sie stammt aus dem 17. Jahrhundert und war früher an einer Säule angebracht. Die Figuren der anderen Säulen wurden verbrannt, weil sie laut Janke damals nicht mehr als schick galten. Thomas hat übrigens eine Zwillingsfigur in der Kirche St. Mariä Himmelfahrt in Köln. Ebenso findet man Bezüge zum Altenberger Dom in Düsseldorf: Dort steht in der Maxkirche das Original-Adlerpult aus Altenberg. Das Pult im bergischen Dom ist eine Kopie.
1857 wurde angeordnet, dass Katholiken und Protestanten die Kirche gemeinsam zu nutzen hätten. Seitdem ist ein stetes Ringen um die Inneneinrichtung des Kirchenraumes entbrannt: Die evangelische Gemeinde würde lieber eine puristische Einrichtung sehen. Die katholische Gemeinde hingegen würde gerne mehr Heilige, Engel und andere Figuren aufstellen. Ein kleines Kunstwerk an der nördlichen Längsseite des Doms erinnert beide Gruppen daran zusammenzustehen: Vor Jesus, der am Kreuz hängt, knien der Katholik Bernhard von Clairvaux und der Protestant Martin Luther. Jesus lehnt sich vom Kreuz herab – und umarmt sie beide.
Teils über 700 Jahre alt sind die Grisaillefenster aus gräulichem Glas
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