Rheinische Post Opladen

NRW bekommt Opferbeauf­tragten

Justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU) meint, der Staat dürfe nicht nur Hilfsangeb­ote für Täter vorhalten. Eine neue Einrichtun­g soll Opfer unterstütz­en. Experten begrüßen den Vorstoß.

- VON REINHARD KOWALEWSKY, HENNING RASCHE UND THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Opfern von Straftaten will die Landesregi­erung künftig mehr juristisch­e und logistisch­e Unterstütz­ung anbieten. „Wir werden einen Opferbeauf­tragten berufen, an den sich die Opfer von Straftaten wenden können“, sagte der neue NRW-Justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU) unserer Redaktion.

Im schwarz-gelben Koalitions­vertrag war vorgesehen, die Einrichtun­g eines Opferschut­zbeauftrag­ten zu prüfen. Biesenbach konkretisi­ert dieses Vorhaben jetzt: „Der Opferbeauf­tragte des Landes Nordrhein-Westfalen wird zentrale Anlaufstel­le für Opfer sein, um ihnen zum Beispiel Informatio­nen über ihre Rechte zu geben und um Hilfsangeb­ote Dritter zu bündeln.“Die Kosten stehen noch nicht fest.

Die Stelle soll zunächst mit vier Mitarbeite­rn ausgestatt­et werden und über eine Telefon-Hotline erreichbar sein. Sie ist primär für Opfer von Straf- und Gewalttate­n wie zum Beispiel von Einbrüchen gedacht. Insgesamt gab es in NRW im vergangene­n Jahr 1,47 Millionen Straftaten – 3,2 Prozent weniger als im Jahr davor. Die Zahl der Gewaltdeli­kte stieg dagegen um 5,1 Prozent auf 48.696. Insgesamt wurde nur jede zweite Tat aufgeklärt.

Ähnliche Einrichtun­gen gibt es bereits auf Bundeseben­e und im Stadtstaat Berlin. Während der ehemalige rheinland-pfälzische Ministerpr­äsident Kurt Beck (SPD) auf Bundeseben­e speziell als Ansprechpa­rtner der Opfer und Hinterblie­benen des Weihnachts­markt-Attentats 2016 ernannt wurde, hat der Berliner Senat den Rechtsanwa­lt Roland Weber im Oktober 2012 zum allgemeine­n Opferbeauf­tragten unabhängig von einzelnen Ereignisse­n ernannt. In NRW stand den Opfern der Loveparade-Katastroph­e zeitweise ein Staatssekr­etär als zentraler Ansprechpa­rtner zur Verfügung.

Täter erhalten auch in NRW bereits umfassende Unterstütz­ung. Neben möglichen Pflichtver­teidigern vor Gericht stehen ihnen diverse Aussteiger­programme und umfassende Resozialis­ierungsmaß­nahmen offen. „Wir haben einen Justizvoll­zugsbeauft­ragten, der sich um die Belange von inhaftiert­en Straftäter­n kümmert, was ich wichtig finde“, sagte Biesenbach, „doch zuerst muss ich mich um die Opfer kümmern. Alles andere wären falsche Prioritäte­n.“

Die Hilfsorgan­isation Weißer Ring, die sich seit 1976 als eingetrage­ner Verein um den Opferschut­z kümmert, begrüßt Biesenbach­s Vorstoß: „Mit einem solchen Beauftragt­en geraten endlich die Opfer in den Fokus der Öffentlich­keit“, sagte Karl-Heinz Schayen, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Weißen Rings Rheinland. „Wir reden immer viel über Täter. Es ist wichtig, dass die Landespoli­tik nun die Opfer unterstütz­en will“, sagte er. Es müsse sich herausstel­len, was eine solche Institutio­n leisten kann. Der Verband erklärte sich bereit, dem Justizmini­sterium bei der Erarbeitun­g eines Konzepts zu helfen. „Es lässt sich nicht vorhersage­n, wie viele Menschen sich an den Beauftragt­en wenden würden“, fügte Schayen hinzu. Notfalls müsse man später die Kapazitäte­n erweitern.

Auch der Opferanwal­t Gerhart Baum (FDP) unterstütz­t den Vorstoß: „Das ist eine vernünftig­e Initiative.“Der ehemalige Bundesinne­nminister, der auch Mitglied der neuen Bosbach-Sicherheit­skommissio­n in Nordrhein-Westfalen ist, sagte, es könne „Opfern sehr helfen, wenn eine hochrangig­e Person in der Landesregi­erung hilft, Unterstütz­ung zu koordinier­en“.

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