Rheinische Post Opladen

Wenn Kilobyte auf die Hüfte gehen

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Kürzlich musste ich bei der Lektüre unserer Zeitung schmunzeln. Ein junger Kollege klagte über unsere Smartphone-Abhängigke­it. Statt uns Nutzern die Hoheit des eigenen Handelns zu überlassen, sollen lieber die Konzerne in die Pflicht genommen werden, vor ihren digitalen Suchtmache­rn zu warnen. Ein paar Seiten weiter merkte die Kolumne im Wirtschaft­steil an, dass die Macht der Digital-Konzerne überschätz­t sei: Die wirklichen Global-Player seien die Lebensmitt­elkonzerne.

Darf ich Ihnen ein Geheimnis verraten? Richtig spannend wird es, wenn Lebensmitt­elbranche auf das Silicon Valley trifft. Das fiel mir auf, als ich kürzlich Hunger hatte. Was sich in den letzten zwölf Monaten unbemerkt im Bereich der FoodApps getan hat, beeindruck­t mich. Es gibt mehr als Foodblogs, Instagram, Tische-Reserviere­n über Opentable oder die Möglichkei­t,

Das Essen hat das Internet fest im Griff. Dabei geht es mehr als um ein Selfie mit dem Essen auf Instagram. Apps auf dem Smartphone verändern unsere Essgewohnh­eiten.

beim Lieferdien­st um die Ecke per App zu bestellen. Ich wollte beim Mexikaner im Hafen, der nur 200 Meter von mir entfernt ist, meinen Lieblings-Burrito bestellen, aber da kam eine Mitteilung von der „Freeletics Nutrition App“dazwischen: Es sei jetzt Zeit für mein Quinoa-Müsli.

Diese App übernimmt meinen Ernährungs­plan und erzieht mich zu gesundem Essen. Ich gebe ein Ziel ein – in diesem Fall abnehmen – und schon wird mir ein Essensplan inklusive Rezepten und Einkaufsli­ste vorgeschla­gen. Wer es weniger streng mag, kann die App „MyFitnessP­al“nutzen. Hier notiert man die Kalorien seiner Nahrung und behält den Überblick. Andere Apps wie „ResQ“haben das Überangebo­t an Essen erkannt und den Kampf gegen Lebensmitt­elverschwe­ndung aufgenomme­n. Restaurant­s dürfen übriggebli­ebene Lebensmitt­el in Deutschlan­d nicht verschenke­n, aber günstiger verkaufen. Also bie- ten sie die auf „ResQ“an, und am Abend kann ich mir Übergeblie­benes kaufen – deutlich günstiger.

Das Smartphone bestimmt inzwischen die Essgewohnh­eiten vieler. Das will sich selbst die umstritten­e Taxialtern­ative Uber nicht entgehen lassen. In den USA gibt es bereits den „UberEats“-Lieferdien­st. Statt Fahrgäste werden Sushirolle­n oder Nudeln transporti­ert. Künftig sollen fertig gekochte Gerichte ohne Bestellung transporti­ert werden, da man dank der mächtigen Algorithme­n zu Essgewohnh­eiten schon voraussage­n kann, welche Gerichte in welchem Stadtteil benötigt werden. Der Fahrer muss nur noch halten und das Gericht hochbringe­n.

In dem ganzen Angebotswa­hn ist mir der Hunger verflogen. Wenigstens konnten mir so die Kilobyte nicht auf die Hüfte gehen. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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