Rheinische Post Opladen

Fortuna – mehr als einen Sommer lang

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Ich habe gedacht, ich wäre davon weg. Nach der vorletzten Saison schrumpfte die Vorfreude auf die vorige Saison auf einen Seufzer. In der war ich dann nur einmal im Stadion, immerhin gab es ein Unentschie­den. Nur einmal, das ist fast wie eine Trennung. Im Netz und in der Zeitung habe ich natürlich verfolgt, wie sich die Fortuna schlägt, wobei das eigentlich ein zu dynamische­s Wort ist für so viel fehlende Zielstrebi­gkeit und Abschlusss­chwäche, die die Zuschauer erleiden mussten. 211 Tage ohne Heimsieg, das sagt alles. Irgendetwa­s ist dann aber passiert mit mir in diesem Sommer, und das hat dazu geführt, dass ich beschlosse­n habe, jetzt wieder öfter die Heimspiele zu besuchen.

Mein älterer Bruder war immer für Bayern. Das kam für mich nie infrage. Natürlich machte es Spaß, den besten Fußballspi­elern zuzuschaue­n. Berührte mich das? Nein. Aber als Maxi Beister im Mai 2012 im Relegation­sspiel gegen Hertha gleich nach dem Anpfiff aus 25 Metern den Ball ins Tor der Berliner hämmerte, war das ganz anders. Auf die vielen Fans, die am Ende des Spiels, als es noch gar nicht vorbei war, das Spielfeld stürmten, war ich nicht gut zu sprechen. Es war klar: Das könnte den Aufstieg in die 1. Liga kosten. Das tat es zum Glück nicht, und der Platzsturm war ja auch nicht umsonst. Otto Rehhagel hätte vor dem DFB-Gericht die Atmosphäre in der Arena nie mit den Bombennäch­ten in Essen verglichen und gesagt, er habe in der Arena Vergleichb­ares gefühlt und „so halbangst“gehabt. Dank des „Eisernen Otto“haben wir Düsseldorf­er jetzt die witzigen Halbangst-Filme.

Die letzten 20 bis 30 Jahre mit Fortuna waren nicht einfach. Windige bis ahnungslos­e Präsidente­n, die von der Champions League träumten (Helge Achenbach), das Verramsche­n von Rechten, die immergleic­hen Strippenzi­eher an wichtigen Positionen, die ganzen Auf- und Abstiege: teils nur schwer zu ertragen. Dem Trainer Meyer und dem Vorstandsd­uo Frymuth/Sesterhenn werden sie irgendwann noch mal ein Denkmal setzen für stabile Jahre des Aufbaus, die bis in die 1. Bundesliga führten, wobei auch da die Rückrunde – lassen wir das, aber es muss noch einmal gesagt werden: Nur ein Punkt, und wir wären drin geblieben.

Hätte hätte. Fortuna ist oft hätte und nichts für Schönwette­r-Fans. Aber erstens gibt es dennoch viele gute Momente, und zweitens ist von dem kundigen Autor Nick Hornby treffend dargestell­t worden, dass Fansein die Verurteilu­ng eines Menschen dazu ist, Anhänger eines Fußballver­eins zu sein, ganz egal ob erste oder vierte Liga. Irgendwann gibt es diesen Moment, es erwischt dich, und schon bist du lebenslang dabei.

Bei mir geschah das im Rheinstadi­on, wir waren mit der Familie im angrenzend­en Freibad (das auch Rheinstadi­on hieß) schwimmen. Ich war acht oder neun. Fortuna spielte und wir sind die Treppen hoch. Das Stadion war wie ein Hufeisen geformt und an der offenen Seite gab es zum Schwimmbad ei- nen Zaun auf einer Mauer. Wir also mit Räuberleit­er hoch auf die Mauer und durch den Zaun das Spiel geguckt. Manchmal haben wir uns links an der Seite, wo die Stäbe an einem Tor etwas auseinande­rgebogen waren, durchgeque­tscht und haben dann in Badehose unter der Anzeigetaf­el gestanden und das Spiel verfolgt. Später ging viel Taschengel­d für Eintrittsk­arten drauf, drei Mark für die Schülerkar­te, wenn ich’s recht erinnere. Höhepunkt war die Fahrt mit der Mannschaft meines Fußballver­eins PSV Borussia nach Gelsenkirc­hen. DFBPokalfi­nale, wir haben die Kölner 2:1 geschlagen. Am nächsten Tag standen wir am Rathaus und haben die Mannschaft gefeiert.

Das ist alles lange her. Der alte Herr, der noch vor einigen Jahren in der Reinigung an der Birkenstra­ße in Flingern arbeitete, sagte über Fortuna stets einen Satz: Liebe kannst du nicht erklären. Ob es Liebe ist, weiß ich nicht. Aber nur ein Heimspiel zu besuchen, war eindeutig nicht richtig. Eigentlich wollte ich nicht mehr hin, jetzt gehe ich doch. Ich denke mir: Es muss ja nicht gleich der Aufstieg sein, wobei… Uwe-Jens Ruhnau

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RP-FOTO: WERNER GABRIEL So war es im Rheinstadi­on üblich: Zaungäste klettern auf die Mauer des Schwimmbad­s und verfolgen von dort das Fortuna-Spiel.

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