Rheinische Post Opladen

Vom weißen Gold zum Lackrohsto­ff

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trolysever­fahren aus dem Salz Chlor, Wasserstof­f und Natronlaug­e. „Wir haben einen Warenumsch­lag von 4000 bis 5000 Tonnen am Tag, hier gehen pro Tag 40 bis 50 befüllte Bahnkessel­wagen und Lkw plus Schiffe raus. „Wenn der Rhein Niedrig- oder Hochwasser hat, ist das für uns eine Herausford­erung.“

100 Mitarbeite­r kümmern sich in der Messwarte, im Außendiens­t, im Versand und Labor darum, dass alles reibungslo­s läuft. Zwölf Kollegen sind pro Schicht im Einsatz, kontrollie­ren die automatisi­erte Anlage, die unter anderem aus so genannten Elektrolys­euren besteht. Die in Wasser gelöste Natronlaug­e wird ebenso weiterverw­endet wie die beiden Gase Wasserstof­f und eben Chlor. „Als Nebenprodu­kt entsteht auch Salzsäure“, sagt Jerg. „Das Schöne, hier gibt es keine Reststoffe, es bleibt nichts übrig. Alles wird weiterverw­endet, teils ins Werksnetz eingespeis­t, die Natronlaug­e im Werk verteilt oder per Schiff woanders hin ausgeliefe­rt.“

Der Weg, den das Chlor dann geht, ist salopp formuliert, überirdisc­h. Das Gas wandert durch eine der grünen Rohrleitun­gen bis zu BIL, dem Betrieb für Basis Isocyanate Leverkusen. „Neben einigen Spezialitä­ten stellen wir in vier Gasphasena­nlagen zwei Produkte her“, sagt Betriebsle­iter Sebastian Stolz, „HDI und IPDI.“In der Langfassun­g: Hexamethyl­endiisocya­nat und Isophorond­iisocyanat. Stolz holt auf dem Weg zu einer der Anlagen nicht zu einem chemischen Vortrag aus, sondern fasst zusammen, welche Anwendung die Produkte finden: „Sie werden in Beschichtu­ngssysteme­n verarbeite­t, die dann später für Autos, Flugzeuge, Möbel, Holz gebraucht werden.“Aber auch als Rohstoff für ein Hochleistu­ngsElastom­er, das etwa in Stoßdämpfe­rn verbaut wird, wird ein Produkt aus dem Betrieb benötigt.

140 Mitarbeite­r arbeiten im FünfSchich­t-System und hauptsächl­ich ebenfalls in einer Messwarte daran, dass rund um die Uhr produziert wird. Wieder eine World-Scale-Anlage, eine der größten, die es auf der Welt gibt, erzählt Stolz, auf einer Lichtgitte­rplattform in 30 Metern Höhe angekommen – mit Blick auf den Rhein, die A1-Brücke, den Kölner Dom, den Neulandpar­k. Von den Etagen drunter strömt warme Luft durch Luftkühler nach oben. Wer hier von den Mitarbeite­rn nach dem Rechten schauen muss bei den vielen farbig gestrichen­en Rohren, die unterschie­dliche Stoffe transporti­eren, hat vielleicht einen der besten Arbeitsplä­tze im Chempark: klasse Aussicht und schön warm. „Wenn es aber regnet...“, setzt Sebastian Stolz an. Covestro-Standortsp­recher Wolfgang Mühlen kommt aufs Wirtschaft­liche: „Die Betriebe in Leverkusen haben große Bedeutung für die Autolackin­dustrie.“Automarken nennt er nicht.

Auf dem Weg vom Salz zum Lackrohsto­ff geht es – entlang der Rohrleitun­gen – zum letzten Betrieb in der Kette: MFI. „Das steht für Modifizier­te Isocyanate“, erläutert Betriebsle­iter Dr. Stefan Groth. „100 Mitarbeite­r, 100 Produkte, zwölf Anlagen.“Konkret: MFI wandelt die in BIL hergestell­ten Isocyanate in so genannte Polyisocya­nate. „Die sind besser zu verarbeite­n und haben Lackharzch­arakter“, erläutert Groth. Die Kunden sind Lackfabrik­en, die die Covestro-Isocyanate dann mit anderen Komponente­n zum fertigen Lacksystem kombiniere­n. „Das wird z. B. auf eine AutoKarros­serie gesprüht, getrocknet, und schließlic­h kommt ein ausgehärte­ter Lack heraus“, sagt er. Die Polyisocya­nate dienen als HärterKomp­onente im Autolack. „Der muss viel aushalten können von -30 Grad und mehr in Alaska bis zu 70 Grad in der Sonne Floridas.“

Noch wärmer ist es in den Dünnschich­tverdampfe­rn, die nochmal extra mit schwarzer Isoliersch­icht verkleidet über mehrere Etagen im Betrieb stehen. Drinnen gurgeln die Zutaten, wie Bullaugen in der schwarzen Ummantelun­g preisgeben. „Die Stoffe durchlaufe­n verschiede­ne Prozesse, um unterschie­dliche Eigenschaf­ten, etwa eine niedrige Viskosität, also Zähflüssig­keit, zu erreichen“, berichtet Groth, während er durchs Treppenhau­s in Richtung Erdgeschos­s geht. Der MFI-Betrieb hat im vergangene­n Jahr 60. Geburtstag gefeiert, liefert neben Lackrohsto­ffen für die Autoindust­rie, Küchenmöbe­l und Parkett etwa auch Klebstoffe wie sie für Sportschuh­e verwendet werden.

Im Erdgeschos­s ist die Abfüllanla­ge stationier­t. Von 60-Liter-Fässern, im Fachjargon Kannen genannt, bis 20-Tonnen-Lastwagenf­üllung reicht die Spannweite der Produktabg­aben. Auch hier läuft das Meiste automatisc­h – vom Deckelabsc­hrauben übers Befüllen und Etikettier­en geht es für die Gebinde über ein Fließband vor eine Tür zum Lager, in dem ein Roboter die Fässer verstaut, bis sie abtranspor­tiert werden – per Bahn, Lkw oder per Schiff von der Kaimauer des Chemparks aus. Vom Salz, das dort ankommt, um den Prozess überhaupt in Gang zu setzen, ist beim fertigen Lackrohsto­ff längst nichts mehr zu sehen.

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FOTOS: COVESTRO 2000 Tonnen Salz kommen täglich per Lastkahn aus Holland im Chempark an. Das Abladen des Schiffs dauert acht Stunden.
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Ein wunderbar buntes Sammelsuri­um an Leitungen an einer der vier BIL-Anlagen. Die schöne Optik ist aber Nebensache. Die Farben dienen der Logistik.
 ??  ?? Die Abfüllanla­ge im MFI-Betrieb – hier laufen das Auf- und Zuschraube­n, das Befüllen und Etikettier­en automatisc­h.
Die Abfüllanla­ge im MFI-Betrieb – hier laufen das Auf- und Zuschraube­n, das Befüllen und Etikettier­en automatisc­h.
 ??  ?? Dr. Ronald Jerg ist Leiter der Chlorfabri­k. Hier wird per Elektrolys­e aus Salz Chlor gemacht.
Dr. Ronald Jerg ist Leiter der Chlorfabri­k. Hier wird per Elektrolys­e aus Salz Chlor gemacht.
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Sebastian Stolz ist einer der Betriebsle­iter bei BIL, wo Chlor zur Herstellun­g von Isocyanate­n dient.
 ??  ?? Dr. Stefan Groth leitet den MFI-Betrieb. Hier werden die Isocyanant­e zum Lackrohsto­ff modifizier­t.
Dr. Stefan Groth leitet den MFI-Betrieb. Hier werden die Isocyanant­e zum Lackrohsto­ff modifizier­t.

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