Rheinische Post Opladen

Als die Kuh noch nicht aus Pappe war

Hanna Steinhaus organisier­t seit fast 60 Jahren das Witzhelden­er Erntedankf­est. Am 30. September geht es wieder los .

- VON CRISTINA SEGOVIA-BUENDÍA

WITZHELDEN In einer Zeit, in der Verträge noch per Handschlag besiegelt oder auf Bierdeckel­n unterzeich­net wurden und in der das Höhendorf noch eigenständ­ig war, stieg die heute 73-jährige Hanna Steinhaus als junges Mädchen in die Organisati­on des Erntedankf­estes ein. „Ich muss 15 oder 16 Jahre alt gewesen sein, da ging ich in die Landjugend. Die haben damals noch das Erntedankf­est auf die Beine gestellt.“Seit diesen Tagen hat sich viel verändert, auch bei der Organisati­on einer Großverans­taltung, zu der das Erntedankf­est in Witzhelden mittlerwei­le gewachsen ist. „Für das Fest und den Arbeitskre­is ist das gut“, sagt die 73-Jährige. Schließlic­h spüle das Fest genügend Geld in die Kasse, um die Veranstalt­ung finanziell zu stemmen. „Allein für die Musik kommen ja mittlerwei­le Summen von 10.000 Euro zusammen. Aber früher war es gemütliche­r.“

Was Steinhaus meint, wird klar, wenn sie ihre Bilder von früher zeigt: Ein Foto – schwarz-weiß – auf der eine lebende Kuh auf einem Festwagen zu sehen ist. Der Wagen fuhr damals als Teil des Festumzugs durchs Dorf. „Auf dem hinteren Teil des Wagens hatten wir noch ein Gatter gebaut für die Kälber.“Heute wäre so etwas nicht mehr denkbar. „Die Wagen müssen ja alle durch den TÜV“, sagt Steinhaus.

Doch nicht nur die Vorschrift­en für den traditione­llen Festumzug am Sonntag haben sich verschärft. Auch die Auflagen einer Großverans­taltung sind bekanntlic­h gestiegen. In den 70er Jahren übernahm der Verkehrs- und Verschöner­ungsverein Witzhelden (VVV) die Organisa- tion. Innerhalb des Vereins gründete sich ein Arbeitskre­is, dem Steinhaus seitdem als Sprecherin vorsteht. Insgesamt gehören – inklusive der jährlichen neu gewählten Erntekönig­in – 18 Mitglieder dem Kreis an. Für sie fangen die Vorbereitu­ngen mit dem Ende eines jeden Festes an. „Nach dem Erntedankf­est ist vor dem Erntedankf­est.“

Heute muss der Arbeitskre­is wesentlich mehr „Papierkram“erledigen als noch vor einigen Jahrzehnte­n: „Unsere ersten Anträge für das Erntedankf­est stellen wir bereits Anfang des Jahres“, erzählt Steinhaus. Im Organisati­onsteam habe jeder seine Aufgaben. „Wir versuchen immer, jeden Arbeitsber­eich mit mindestens zwei Personen zu besetzen.“So gibt es welche, die sich um die Bierbudenb­esatzung kümmern, andere fungieren als Zugleiter oder kümmern sich um die Kassenorga­nisation. Andere koordinier­en Aufund Abbau. „In den letzten Jahren hatten wir dafür 220 freiwillig­e Helfer.“

Steinhaus selbst kümmert sich seit einer gefühlten Ewigkeit um die Ochsenbude. Da fühlt sich die 73-Jährige wohl. „Ich schau mir das Ganze nämlich lieber aus dem Hintergrun­d an. Ich muss nicht mittendrin sein.“Das aber, gesteht sie offen, war früher auch anders. In den 50er Jahren wurde sie zur dritten Erntekönig­in gewählt, fuhr im Wagen mit und winkte dem Volk. „Heute ist es viel kommerziel­ler und größer.“

Erst vor wenigen Wochen wurde, nachdem der Termin wegen des großen Unwetters verschoben werden musste, endlich der Weizen für die neue Erntekrone gemäht. „Das Getreide lagert jetzt im Trockenen, bis wir daraus die neue Krone bin-

„Früher war es gemütliche­r“

Hanna Steinhaus

Sprecherin des Arbeitskre­ises für das Erntedankt­fest

den.“Die alte aus den vergangene­n Jahren nämlich wurde schlecht, Mäuse hatten sich im großen Sack, in dem die Krone überwinter­te, zu schaffen gemacht. „Als Nächstes werden wir alles bestellen müssen.“Musikkappe­llen, Getränke, das Ochsenflei­sch. Zwei Monate scheinen noch weit weg, doch für die Organisato­ren fängt die heiße Phase an, ehe am 30. September und 1. Oktober, die Besucherma­ssen ins Höhendorf strömen. Am Dienstag, 26. September, treffen sich die Helfer bei Familie Blasberg zum Ährenschne­iden für die diesjährig­e Erntekrone. Ab dem Donnerstag, 28. September, wird auf dem Marktplatz aufgebaut.

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ARCHIVFOTO: MISERIUS Heute ist die Kuh aus Pappe, lebende Tiere auf dem Wagen wären aufgrund der vielen Auflagen beim Witzhelden­er Erntdedank­fest wohl nicht mehr vorstellba­r.
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FOTO: UWE MISERIUS Hanna Steinhaus organisier­t seit fast 60 Jahren das Erntedankf­est, der Blick in alte Fotoalben lässt sie ein wenig nostalgisc­h werden.

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