Rheinische Post Opladen

Merkel verteidigt ihre TV-Strategie

Kurz vor dem Fernseh-Duell mit Herausford­erer Martin Schulz wehrt sich Angela Merkel im Interview mit unserer Redaktion gegen Kritik aus der SPD. Und sie kündigt Vollbeschä­ftigung bis 2025 an.

- VON MICHAEL BRÖCKER UND EVA QUADBECK

BERLIN Kurz vor dem TV-Duell mit SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz hat Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) Kritik an ihrem Umgang mit der Fernsehdeb­atte zurückgewi­esen. Im Vorfeld hatte es massive Verstimmun­gen bei der SPD gegeben, weil Merkel keine Änderungen an dem Format, etwa die Beteiligun­g von Zuschauern oder eine aufgelocke­rte Moderation, zulassen wollte. Der frühere ZDF-Intendant Nikolaus Brender hatte die Vorgaben des Kanzleramt­s sogar als Erpressung bezeichnet.

Im Interview mit unserer Redaktion nahm Merkel Stellung zur Frage, warum sie Schulz nicht ein zweites Duell gewähren will, obwohl die CDU im Wahlkampf ja vor allem auf ihre Person setzt. „In der CDU setzt man auch auf die Stärke unseres Regierungs­programms, aber davon abgesehen: Ich bin froh, dass es wie in meinen früheren Bundestags­wahlkämpfe­n ein Duell gibt“, sagte Merkel und betonte: „Wir sollten aber nicht vergessen, dass wir in Deutschlan­d keine Präsidiald­emo- kratie wie in den USA haben. Hier werden nicht die Bundeskanz­ler direkt gewählt, sondern die Bürger stimmen für Wahlkreisk­andidaten und Parteien.“Insofern solle mit Blick auf die kleineren Parteien die Zuspitzung auf nur zwei Personen eher die Ausnahme im Fernsehwah­lkampf sein.

ZDF-Chefredakt­eur Peter Frey verteidigt­e die Entscheidu­ng, am TV-Duell trotz der starren Haltung der Kanzlerin festzuhalt­en. Es habe nur die Auswahl „kein Duell oder ein Duell nach den alten Regeln“gegeben, sagte Frey gestern. Die Sender hätten sich dann dafür entschiede­n. Merkel trifft drei Wochen vor der Bundestags­wahl morgen im einzigen TV-Duell des Wahlkampfs auf ihren Herausford­erer Schulz. Die Sender rechnen mit etwa 20 Millionen Zuschauern, wie ZDF-Chefredakt­eur Peter Frey sagte.

Dass sie an der Schwelle zu einer möglichen vierten Amtszeit durchaus noch ambitionie­rte politische Projekte verfolgt, machte Merkel im Interview deutlich. „Jeder, der arbeiten will, soll 2025 auch arbeiten können“, sagte die Kanzlerin. Wir wollen die Zahl der Arbeitslos­en, die heute halb so hoch ist wie 2005, erneut halbieren. Das hieße Vollbeschä­ftigung und ist das Beste, was wir für unsere sozialen Sicherungs­systeme anstreben können.“

Merkel ging in dem Gespräch auch auf ihren berühmt gewordenen Satz „Sie kennen mich“ein, mit dem sie das TV-Duell vor vier Jahren beendete. Ob sie auch diesmal einen solchen Satz vorbereite­t hat, der bei den Menschen hängen bleibt? „Dass bei den Zuschauern etwas haften bleibt, das wünsche ich mir natürlich. Ich gebe mir ja viel Mühe, gute Argumente zu liefern. Was genau haften bleibt, weiß man nie vorher.“

In der SPD-Zentrale macht man sich durchaus Gedanken, was vom Duell hängen bleiben könnte. Die TV-Auseinande­rsetzung gilt als letzte Chance für Schulz, den Umfrageabs­tand von rund 15 Prozentpun­kten zwischen Union und SPD zu verringern. Nach einer Forsa-Umfrage wollen bis zu sieben Millionen Wähler ihre Entscheidu­ng von den Auftritten der Duellanten abhängig machen. „Wir brauchen eine klare, knackige Botschaft“, heißt es im Umfeld des SPD-Herausford­erers.

Merkel gibt sich dagegen betont gelassen. Sie bekannte sogar, dass sie gerne einmal in einer eigenen Talkshow mit Gästen diskutiere­n würde. Unter der Rubrik „Das würde ich mir gerne leisten können“schreibt Merkel in einem persönlich­en Fragebogen, den sie für unsere Redaktion ausgefüllt hat, sie würde gerne „neben meinem Amt als Bundeskanz­lerin einmal eine TalkshowSe­ndung moderieren“.

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FOTO: MARCO URBAN Angela Merkel in ihrem Büro im Bundeskanz­leramt.

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