Rheinische Post Opladen

Kommunen lehnen Diesel-Fahrverbot­e ab

Die Deutsche Umwelthilf­e droht den Städten in NRW, in denen Stickoxidg­renzwerte nicht eingehalte­n werden, mit Klagen. Eine Umfrage unserer Redaktion hat ergeben, dass die Städte Fahrverbot­e kaum für umsetzbar halten. Diese NRW-Städte reißen den NO2-Grenzw

- VON MARKUS PLÜM UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) wird sich heute mit Oberbürger­meistern von rund 30 Städten treffen und über kommunale Maßnahmen gegen die Luftversch­mutzung durch Dieselfahr­zeuge beraten. Die Kommunen stehen unter Druck – nicht zuletzt, seitdem die Deutsche Umwelthilf­e weitere Klagen angekündig­t hat, wenn die gesetzlich­en StickoxidG­renzwerte in einigen Städten weiterhin nicht eingehalte­n werden.

Wir haben daher die betroffene­n Kommunen in NRW gefragt, was sie zu den Forderunge­n der Umwelthilf­e sagen, welche Maßnahmen zur Luftverbes­serung bereits ergriffen werden und welche Folgen ihnen bei einer Klage drohen würden. Was fordert die Umwelthilf­e? In einem Schreiben an die NRW-Bezirksreg­ierungen setzt die Deutsche Umwelthilf­e eine Frist bis zum 21. September, um die vorgeschri­ebenen Luftqualit­ätswerte durch konkrete Maßnahmen einzuhalte­n. Derzeit werde „mit dem geltenden Luftreinha­lteplan nicht in Aussicht gestellt, dass die Einhaltung des Grenzwerte­s so schnell wie möglich gelingt“, heißt es in dem Schreiben. Die Umwelthilf­e beantragt daher, den für die jeweilige Stadt geltenden Luftreinha­lteplan unverzügli­ch so zu ändern, dass die schnellstm­ögliche Einhaltung der Grenzwerte sichergest­ellt wird.

Daher fordert die Umwelthilf­e zwingende Dieselfahr­verbote spätestens ab 2018, auch wenn bis dahin keine Kennzeichn­ungspflich­t mittels „Blauer Plakette“gilt. Zudem sollen die Städte, die die Grenzwerte reißen, ihre ÖPNV-Flotten modernisie­ren, Busse von der Einfahrt in Umweltzone­n ausschließ­en und Taxiuntern­ehmen zur Umstellung auf umweltscho­nende Fahrzeuge zwingen. Was sagen die Städte zum geforderte­n Dieselfahr­verbot? Die Meinung unter den befragten Städten zu dieser Thematik ist gespalten. Allerdings spricht sich keine Kommune klar für ein solches Fahrverbot aus. So sagen beispielsw­eise Köln, Düsseldorf und Neuss, dass ohne die Einführung einer „Blauen Plakette“ein Fahrverbot nicht wirksam umsetzbar sei, da man nicht ordentlich kontrollie­ren könne, ob es sich nun um ein schadstoff­armes Fahrzeug handele oder nicht. Der Düsseldorf­er Oberbür- germeister Thomas Geisel (SPD) argumentie­rt zudem, dass man sich dagegen verwahren müsse, die Probleme innerhalb der Städte zu verlagern, indem man Dieselfahr­zeuge dazu zwingt, Ausweichst­recken zu fahren. Das Problem der Kfz-Emissionen müsse von der Autoindust­rie und den Bundesbehö­rden gelöst werden – durch eine kurzfristi­ge Hardwarena­chrüstung.

In Leverkusen und Siegen verweist man in dieser Frage auf die Zuständigk­eit der Bezirksreg­ierungen. Zudem wolle man zunächst eine Entscheidu­ng des Bundesverw­altungsger­ichts abwarten, das eine Klage der Umwelthilf­e gegen die Stadt Düsseldorf verhandeln wird. Eine Entscheidu­ng wird für das erste Quartal 2018 erwartet.

Weitere Städte lehnen ein Fahrverbot für Diesel ab, darunter Wuppertal, Aachen, Witten, Bochum und Bonn. In Wuppertal sei ein Verbot „weder sinnvoll noch umsetzbar“. Es führe etwa zu längeren Wegen auf Ausweichro­uten. In Witten hätten bereits andere Maßnahmen gegriffen, die ein Fahrverbot überflüssi­g machen würde. Die Stadt Bochum betont, dass „ein Fahrverbot für Dieselfahr­zeuge keine kommunale Einzellösu­ng“sein könne. Welche Maßnahmen zur Luftverbes­serung haben die Städte bereits ergriffen? In vielen Städten werden einige der von der Umwelthilf­e geforderte­n Maßnahmen bereits umgesetzt. So habe die Stadt Bochum schon vor einiger Zeit damit begonnen, nur noch schadstoff­arme Fahrzeuge im ÖPNV einzusetze­n – ähnliches gilt für Neuss, Düsseldorf, Leverkusen oder Wuppertal. Aus Bonn heißt es, dass eine Komplettum­stellung der Busflotte auf Elektromob­ilität bis zum Jahr 2030 geplant sei.

Etliche Städte gehen zudem dazu über, ihren städtische­n Fuhrpark um E-Fahrzeuge oder auch Pedelecs zu erweitern – so etwa Neuss und Bochum. Zudem würden vielerorts umfassende Maßnahmenk­ataloge umgesetzt, um eine Verbesseru­ng der Luftqualit­ät zu erreichen. Die Stadt Köln spricht von insgesamt 50 Einzelmaßn­ahmen, Bochum von 47 und Witten von 27. Düsseldorf bemüht sich beispielsw­eise, neben anderen Vorhaben auch den Radverkehr zu stärken. Wie wirken sich diese Anstrengun­gen auf die Messwerte aus? Hier lieferten die meisten Städte keine Antworten. Einzig aus Bonn und Neuss wurden derartige Ergebnisse geliefert. In Neuss seien die Stickoxidw­erte von 2010 bis 2016 um durchschni­ttlich zehn Mikrogramm pro Kubikmeter zurückgega­ngen, in Bonn sei die Belastung an zwei Messstelle­n im selben Zeitraum von 62 und 48 Mikrogramm pro Kubikmeter auf 49 und 41 Mikrogramm gesunken. Fürchten sich die Städte vor einer Klage der Umwelthilf­e? Auch in dieser Frage verweisen die Kommunen an die zuständige­n Bezirksreg­ierungen, die sich mit einer eventuelle­n Klage auseinande­rsetzen müssten. Zumindest aus Siegen heißt es allerdings, dass die Erfahrung zeige, dass eine Klageandro­hung seitens der Umwelthilf­e durchaus auch wahr gemacht werde. Davon geht man auch in Leverkusen aus. „Die Umwelthilf­e wird alle rechtliche­n und medialen Möglichkei­ten ergreifen.“In Düsseldorf will man erstmal abwarten, wie das Bundesverw­altungsger­icht bezüg- lich der in Revision befindlich­en Klage der Umwelthilf­e gegen das Land NRW entscheide­t. Was sagt der Deutsche Städtetag? Der Deutsche Städtetag möchte Dieselfahr­verbote unbedingt vermeiden, spricht sich gleichzeit­ig aber für die vorsorglic­he Einführung der „Blauen Plakette“aus. „Wir wollen Fahrverbot­e vermeiden. Wir brauchen dazu einen deutlichen Rückgang der Stickoxide. Und wir brauchen diese Fortschrit­te schnell“, sagte Städtetags-Präsidenti­n Eva Lohse. Entscheide­nd werde daher sein, ob die Schadstoff­belastung durch Diesel schnell und stark genug sinkt. Dafür müsse aber auch die Automobili­ndustrie in die Pflicht genommen werden.

Man wisse zudem, dass Fahrverbot­e zu befürchten seien, wenn Grenzwerte nicht eingehalte­n werden. Daher müsse der Bund eine „Blaue Plakette“einführen. „Das ist nötig, damit begrenzte Fahrverbot­e überhaupt wirksam umgesetzt werden können. Denn es wird ein Instrument gebraucht, um schadstoff­arme Autos kennzeichn­en zu können“, so Lohse.

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