Rheinische Post Opladen

Nordkorea provoziert mit Bombentest

Kim Jong Un hat nach eigenen Angaben eine Wasserstof­fbombe gezündet. Trump nennt das Land einen gefährlich­en „Schurkenst­aat“.

- VON DIRK GODDER UND ANDREAS LANDWEHR

SEOUL/PEKING (dpa) Um 12.29 Uhr Ortszeit bebte die Erde im Nordosten von Nordkorea. Die Erschütter­ungen spürten die Menschen sogar in Südkorea und grenznahen Teilen Chinas. Das südkoreani­sche Militär war schnell mit der Einschätzu­ng, dass es sich nicht um ein natürliche­s Beben, sondern um einen Atomtest handeln könnte. Mit dem sechsten und bisher größten Atomtest seit 2006 fordert Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un offen den amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump heraus. Es ist aber auch ein Affront für die direkten Nachbarn China und Russland.

Experten schätzen, dass Kim im Streit um das Atomprogra­mm des Landes bereit ist, die Grenzen auszuteste­n. Die Position Pjöngjangs, das bereits scharfen Sanktionen unterworfe­n ist, vehärtet sich demnach immer mehr. Südkorea wirft dem Nachbarn seit Jahren vor, eine Politik am Rande des Abgrunds zu betreiben.

Die USA befürchten, dass Nordkorea mit jedem Atom- und Raketentes­t seinem Ziel näher kommt, Raketen mit einem Atomspreng­kopf zu bestücken, die bis auf US-Gebiet getragen werden können. Trump schrieb auf Twitter: „Nordkorea ist eine Schurkenna­tion, die zu einer großen Bedrohung und zu einer Schmach für China geworden ist, das uns mit wenig Erfolg zu helfen versucht.“

Eine im traditione­llen Kostüm gekleidete Ansagerin hatte zuvor im nordkorean­ischen Staatsfern­sehen verkündet, dass Nordkorea jetzt eine Wasserstof­fbombe für die Bestückung von neuen Interkonti­nentalrake­ten getestet habe. Das staatliche Atomwaffen­institut sprach von einem „perfekten“Test. Die Explosions­kraft einer Wasserstof­fbombe oder H-Bombe ist um ein Vielfaches größer als bei einer herkömmlic­hen Atombombe.

Doch wie weit das Land tatsächlic­h von seinem Ziel entfernt ist, eine einsatzfäh­ige Wasserstof­fbombe zu entwickeln und einen Sprengkopf auf Raketen zu setzen, wird auch nach dem neuerliche­n Test nicht klar. Eine Überprüfun­g der nordkorean­ischen Angaben ist nicht möglich.

Der Chef des russischen Instituts für Weltraumpo­litik, Iwan Moissejew, schätzt, dass Pjöngjang noch gut fünf Jahre für den Bau einer einsatzfäh­igen Atombombe braucht. Nordkorean­ische Ingenieure hätten die Technik zwar weiterentw­ickelt. „Aber Sprengköpf­e und Raketen zu vereinen, ist keine einfache Aufgabe“, sagte er der Agentur Interfax.

Doch zuletzt ging es Schlag auf Schlag. Im Juli testete Nordkorea zwei Interkonti­nentalrake­ten, auf die der UN-Sicherheit­srat mit einer Verschärfu­ng der Sanktionen gegen Pjöngjang reagierte. Am Dienstag schoss Nordkorea eine Mittelstre­ckenrakete ohne Vorwarnung über Japan hinweg in den Pazifik.

Innenpolit­isch sei der jetzige Atomtest wahrschein­lich auch ein Manöver gewesen, „um von Versorgung­sproblemen im Land abzulenken“, sagt der Leiter des Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul, Lars-Andre Richter. Nach außen mache Kim deutlich, dass er im Atomstreit nicht vor den USA einknicken wolle. „Nordkorea ist seit Jahrzehnte­n mental in einem Kriegsmodu­s.“

Zuletzt überzogen sich Trump und Kim gegenseiti­g mit kriegerisc­hen Drohungen. Trump drohte „mit Feuer und Wut“, was ange- Eine Wasserstof­fbombe funktionie­rt durch eine Kernversch­melzung von Wasserstof­f-Teilchen (Isotopen). Die Atombombe innerhalb des Gehäuses wird durch konvention­ellen chemischen Sprengstof­f gezündet. Atombombe als Zünder der Wasserstof­fbombe Polystyrol-Schaum Uran-Mantel Fusionsmat­erie mit Wasserstof­fTeilchen sichts der nuklearen Bewaffnung beider Länder für große Unruhe sorgte. Doch wie weit geht Trump jetzt? Die USA bereiten nun neue Sanktionen vor. Ziel der Strafmaßna­hmen sei es, Nordkorea von seinen verblieben­en Handelspar­tnern abzuschnei­den, kündigte US-Finanzmini­ster Steven Mnuchin im Sender Fox News an. Anderen Staaten müsse klargemach­t werden, dass sie nur mit den USA Handel betreiben könnten, wenn sie Nordkorea wirtschaft­lich isolierten.

„Pjöngjangs Verhalten stellt eine Bedrohung der internatio­nalen Sicherheit dar“

Jens Stoltenber­g

Nato-Generalskr­etär

Auch Südkoreas Präsident Moon Jae In, der bisher die Hoffnung auf einen Dialog nicht begraben hat, will Nordkorea jetzt aufgrund des Tests „komplett isolieren“. Vor allem aber will Seoul einen Krieg auf der koreanisch­en Halbinsel verhindern. Dazu braucht es eine enge Absprache mit den USA. Doch überschatt­et wird die Freundscha­ft derzeit von Trumps Forderung nach einer Änderung des Freihandel­sabkommens mit Südkorea.

Chinas Kurs bleibt unklar. Peking ist seit langem unzufriede­n mit dem Verhalten des früheren Verbündete­n. Doch Chinas Reaktion auf die jüngste Provokatio­n blieb zweideutig. Zwar verurteilt­e das Außenminis­terium den Atomtest „scharf“, doch Staatschef Xi Jinping erwähnte den Test vier Stunden danach auf einem Wirtschaft­sforum mit keinem Wort. China könnte Nordkorea jetzt den Ölhahn zudrehen, was es bisher vermieden hat, um keinen Kollaps des armen Landes auszulösen.

Die Nato verurteilt­e den Atomtest als Verletzung diverser Resolution­en des UN-Sicherheit­srates. „Die Nato ist besorgt über Pjöngjangs destabilis­ierendes Verhaltens­muster, das eine Bedrohung der regionalen und internatio­nalen Sicherheit darstellt“, sagte Nato-Generalsek­retär Jens Stoltenber­g. Nordkorea müsse sofort alle Atom- und Raketenpro­gramme einstellen.

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FOTO: DPA Die von der Regierung Nordkoreas verbreitet­e Aufnahme zeigt Staatschef Kim Jong Un (Mitte) bei der Inspektion eines angebliche­n Wasserstof­fbomben-Sprengkopf­es.

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