Der DFB mit Problemen auf Rechtsaußen
Der Fußballverband ist nach den rechtsradikalen Entgleisungen beim Auswärtsspiel der Nationalmannschaft in Tschechien alarmiert.
PRAG/STUTTGART Peter Frymuth zögert zunächst, als er auf die Ereignisse in Prag angesprochen wird. Für einen Spitzenfunktionär im Deutschen Fußball-Bund (DFB) kann es durchaus heikel werden, wenn man nicht die richtige Wortwahl findet. Doch der Vize-Präsident des DFB spricht Klartext. „Man kann sich für die Ereignisse nur schämen“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich bin immer vorsichtig, Menschen vorschnell in eine politische Ecke zu stellen. Aber in diesem Fall haben sich die Leute durch ihre Taten selbst disqualifiziert und ihre rechtsradikale Gesinnung zu erkennen gegeben.“Man könne als Verband die Ereignisse nur zutiefst verurteilen.
Vor, während und nach dem WMQualifikationsspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Tschechien waren rund 200 Personen aus dem rechtsradikalen Spektrum in Prag massiv in Erscheinung getreten. Sie skandierten unter anderem lautstark „Sieg Heil“und zeigten ungeniert den „Hitlergruß“. Bereits im Vorfeld hatte es innerhalb des DFB Befürchtungen vor derartigen Aktionen gegeben. „Wir haben vor dem Spiel schon gewusst, dass ein Bodensatz der deutschen Gesellschaft mit in Prag ist, der mit Fußball nichts am Hut hat“, sagte Rainer Koch, 1. DFB-Vize. Auch in Kneipen habe es Gewaltandrohungen gegeben, sofern nicht die richtige Musik gespielt werde, sagte der Funktionär bei „Sport1“. Koch definierte zudem: „Ein Fußballfan kann nur jemand sein, der nichts mit Gewalt und dem gefährlichen Abbrennen von Pyrotechnik zu tun hat.“
Und auch der Bundestrainer wollte nicht zur Tagesordnung übergehen, bevor er sich der Vorbereitung auf das WM-Qualifikationsspiel gegen Norwegen (heute, 20.45 Uhr/ RTL) widmete. Joachim Löw begann die Pressekonferenz mit einem Monolog. Der 57-Jährige nimmt sich generell gerne Zeit, bevor er spricht. Gestern waren die Denkpausen aber noch etwas länger als üblich. Es war spürbar, wie wichtig es ihm war, die richtigen Worte zu wählen. Er sei „weder bestürzt noch traurig“über die Vorkommnisse. „Ich bin voller Wut und sehr, sehr angefressen“, sagte Löw und sprach von „oberpeinlichem Auftreten“, „viel Schande“und „zutiefst verachtenswertem Verhalten“. Ruhig, aber bestimmt überbrachte Löw seine Kernbotschaft: „Diese Chaoten wollen wir nicht. Wir sind nicht deren Nationalmannschaft, und das sind auch nicht unsere Fans.“Löw wählte mehrfach den Überbegriff „Chaoten“, das Wort Nazis vermied er – auch auf Nachfrage. „Wenn wir ins Ausland gehen, ist es für uns eine Prämisse, unser Land würdig zu vertreten. Wir stehen für Werte. Wir stehen für ein respektvolles, tolerantes, weltoffenes Deutschland“, sagte Löw. Nun müssten mit „absoluter Härte“Sanktionen erfolgen. Der DFB sei dabei, die Täter zu identifizieren.
Er forderte aber auch, dass mit solchen Leuten schon im Vorfeld von Spielen rigoros umgegangen werden muss, um sie vom Stadion fernzuhalten. Wie das im Detail funktionieren solle, konnten weder Löw noch Pressesprecher Jens Grittner beantworten, der zudem betonte, dass der für die Rufe verantwortliche Teil der Zuschauer die Tickets vor Ort am Prager Stadion erworben habe und sicher nicht über den Fanclub Nationalmannschaft an die Eintrittskarten gelangt sei.
Ein Eingeständnis, dass das derzeitige Verkaufssystem des DFB solche Vorfälle nicht verhindern kann. In einer Mitteilung des DFB zum Kartenverkauf heißt es: „Zu den Auswärtsspielen der deutschen Na- tionalmannschaft sind Bestellungen nur online über die Fan Club Website möglich. Dafür notwendig ist deine Fan Club Mitgliedsnummer und PIN. Alle Besteller müssen ihre Personalausweisnummer eingeben.“Somit kennt der DFB seine Ticketabnehmer, gegen den Schwarzmarkt vor einem Stadion ist er aber machtlos. In Prag war nicht einmal dieser nötig, jeder konnte ganz einfach an der Abendkasse Karten kaufen. Die Frage nach erfolgversprechenden, präventiven Maßnahmen steht daher im Raum. Der DFB muss nun schnellstmöglich Antworten liefern.
Die Mannschaft hatte sich bereits am Freitag klar positioniert. Sprachrohr war Mats Hummels, der die Vorfälle „eine Katastrophe“nannte. „Dass die Mannschaft nicht in die Kurve gegangen ist, war das absolut richtige Zeichen“, lobte Löw. „Diese Leute machen den Fußball selbst kaputt und machen das wissentlich“, hatte Hummels befunden. „Man muss schauen, dass man sie aus dem Stadion rauskriegt.“