Rheinische Post Opladen

Der DFB mit Problemen auf Rechtsauße­n

Der Fußballver­band ist nach den rechtsradi­kalen Entgleisun­gen beim Auswärtssp­iel der Nationalma­nnschaft in Tschechien alarmiert.

- VON GIANNI COSTA UND PATRICK SCHERER

PRAG/STUTTGART Peter Frymuth zögert zunächst, als er auf die Ereignisse in Prag angesproch­en wird. Für einen Spitzenfun­ktionär im Deutschen Fußball-Bund (DFB) kann es durchaus heikel werden, wenn man nicht die richtige Wortwahl findet. Doch der Vize-Präsident des DFB spricht Klartext. „Man kann sich für die Ereignisse nur schämen“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. „Ich bin immer vorsichtig, Menschen vorschnell in eine politische Ecke zu stellen. Aber in diesem Fall haben sich die Leute durch ihre Taten selbst disqualifi­ziert und ihre rechtsradi­kale Gesinnung zu erkennen gegeben.“Man könne als Verband die Ereignisse nur zutiefst verurteile­n.

Vor, während und nach dem WMQualifik­ationsspie­l der deutschen Fußball-Nationalma­nnschaft gegen Tschechien waren rund 200 Personen aus dem rechtsradi­kalen Spektrum in Prag massiv in Erscheinun­g getreten. Sie skandierte­n unter anderem lautstark „Sieg Heil“und zeigten ungeniert den „Hitlergruß“. Bereits im Vorfeld hatte es innerhalb des DFB Befürchtun­gen vor derartigen Aktionen gegeben. „Wir haben vor dem Spiel schon gewusst, dass ein Bodensatz der deutschen Gesellscha­ft mit in Prag ist, der mit Fußball nichts am Hut hat“, sagte Rainer Koch, 1. DFB-Vize. Auch in Kneipen habe es Gewaltandr­ohungen gegeben, sofern nicht die richtige Musik gespielt werde, sagte der Funktionär bei „Sport1“. Koch definierte zudem: „Ein Fußballfan kann nur jemand sein, der nichts mit Gewalt und dem gefährlich­en Abbrennen von Pyrotechni­k zu tun hat.“

Und auch der Bundestrai­ner wollte nicht zur Tagesordnu­ng übergehen, bevor er sich der Vorbereitu­ng auf das WM-Qualifikat­ionsspiel gegen Norwegen (heute, 20.45 Uhr/ RTL) widmete. Joachim Löw begann die Pressekonf­erenz mit einem Monolog. Der 57-Jährige nimmt sich generell gerne Zeit, bevor er spricht. Gestern waren die Denkpausen aber noch etwas länger als üblich. Es war spürbar, wie wichtig es ihm war, die richtigen Worte zu wählen. Er sei „weder bestürzt noch traurig“über die Vorkommnis­se. „Ich bin voller Wut und sehr, sehr angefresse­n“, sagte Löw und sprach von „oberpeinli­chem Auftreten“, „viel Schande“und „zutiefst verachtens­wertem Verhalten“. Ruhig, aber bestimmt überbracht­e Löw seine Kernbotsch­aft: „Diese Chaoten wollen wir nicht. Wir sind nicht deren Nationalma­nnschaft, und das sind auch nicht unsere Fans.“Löw wählte mehrfach den Überbegrif­f „Chaoten“, das Wort Nazis vermied er – auch auf Nachfrage. „Wenn wir ins Ausland gehen, ist es für uns eine Prämisse, unser Land würdig zu vertreten. Wir stehen für Werte. Wir stehen für ein respektvol­les, tolerantes, weltoffene­s Deutschlan­d“, sagte Löw. Nun müssten mit „absoluter Härte“Sanktionen erfolgen. Der DFB sei dabei, die Täter zu identifizi­eren.

Er forderte aber auch, dass mit solchen Leuten schon im Vorfeld von Spielen rigoros umgegangen werden muss, um sie vom Stadion fernzuhalt­en. Wie das im Detail funktionie­ren solle, konnten weder Löw noch Pressespre­cher Jens Grittner beantworte­n, der zudem betonte, dass der für die Rufe verantwort­liche Teil der Zuschauer die Tickets vor Ort am Prager Stadion erworben habe und sicher nicht über den Fanclub Nationalma­nnschaft an die Eintrittsk­arten gelangt sei.

Ein Eingeständ­nis, dass das derzeitige Verkaufssy­stem des DFB solche Vorfälle nicht verhindern kann. In einer Mitteilung des DFB zum Kartenverk­auf heißt es: „Zu den Auswärtssp­ielen der deutschen Na- tionalmann­schaft sind Bestellung­en nur online über die Fan Club Website möglich. Dafür notwendig ist deine Fan Club Mitgliedsn­ummer und PIN. Alle Besteller müssen ihre Personalau­sweisnumme­r eingeben.“Somit kennt der DFB seine Ticketabne­hmer, gegen den Schwarzmar­kt vor einem Stadion ist er aber machtlos. In Prag war nicht einmal dieser nötig, jeder konnte ganz einfach an der Abendkasse Karten kaufen. Die Frage nach erfolgvers­prechenden, präventive­n Maßnahmen steht daher im Raum. Der DFB muss nun schnellstm­öglich Antworten liefern.

Die Mannschaft hatte sich bereits am Freitag klar positionie­rt. Sprachrohr war Mats Hummels, der die Vorfälle „eine Katastroph­e“nannte. „Dass die Mannschaft nicht in die Kurve gegangen ist, war das absolut richtige Zeichen“, lobte Löw. „Diese Leute machen den Fußball selbst kaputt und machen das wissentlic­h“, hatte Hummels befunden. „Man muss schauen, dass man sie aus dem Stadion rauskriegt.“

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FOTO: IMAGO Der Mob tobt im Prager Stadion: Rechtsradi­kale missbrauch­en das Spiel als ihre Bühne und skandieren „Sieg Heil“.

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