Sieg und WM-Führung für Hamilton
In Monza, ausgerechnet im Ferrari-Land, löst der Mercedes-Pilot den seit Saisonbeginn führenden viermaligen Champion Vettel ab. Der Heppenheimer wird Dritter hinter Bottas, der den Doppelsieg der Silberpfeile perfekt macht.
MONZA (sid) Sebastian Vettel sprang vom Siegerpodest und wuchtete dem tosenden „Roten Meer“der Ferrari-Fans den Pokal für Platz drei entgegen. Die erdrückende Zuneigung der Tifosi beim Heimspiel in Monza ließ ihn das Gefühl der Chancenlosigkeit gegen Mercedes und den Verlust der WM-Führung an den ungefährdeten Sieger Lewis Hamilton für einen kurzen Moment vergessen. 36 Sekunden trennten ihn im Ziel vom Engländer – Lichtjahre in der Formel 1.
Doch Vettel wollte sich die gute Laune nicht verderben lassen. Im Rausch der Emotionen schnappte er sich noch auf dem Podium eine TV-Kamera, er zeigte breit grinsend das Victory-Zeichen – und suchte ausschließlich das Positive in der Niederlage. „Grazie an alle Tifosi. Ihr seid das beste Publikum der Welt. Forza Ferrari“, sagte der Heppenheimer: „Bei der Stimmung in der Ehrenrunde und auf dem Podium fühlt man sich wie der König der Welt. Auch wenn wir eins auf den Deckel bekommen haben, bin ich überzeugt, dass wir bis zum Ende um die WM kämpfen.“
Die Ovationen der 93.000 mehrheitlich für ihn und Ferrari jubelnden Fans konnten die krachende Niederlage gegen Mercedes-Star Hamilton lediglich übertünchen. Zu leicht hatte der Engländer beim Großen Preis von Italien vor seinem Mercedes-Teamkollegen Valtteri Bottas (Finnland) den Sieg eingefahren und Vettel nach 161 Tagen ausgerechnet auf Ferrari-Territorium die WM-Führung abgejagt. Ferrari-Boss Sergio Marchionne vertrat daher eine andere Sicht der Dinge. „Wir haben einfach völlig versagt. Das Set-up war falsch, wir haben die Strecke unterschätzt. Wir haben das Auto seit Belgien schlechter gemacht“, polterte der 65-Jährige.
Der Groll hat einen Grund: Hamilton feierte einen Tag nach seiner 69. Pole Position ohne Probleme seinen 59. Formel-1-Sieg und liegt im Titelkampf nach 13 von 20 Rennen nun drei Punkte vor dem Deutschen. „Ich liebe diese Leidenschaft. Ich weiß, dass ihr einen anderen Sieger wolltet, das respektiere ich“, sagte Hamilton im ohrenbetäubenden Pfeifkonzert der Ferra- risti und setzte markig hinzu: „Aber die Mercedes-Power war einfach besser als die Ferrari-Power, das war der Schlüssel zum Sieg.“Vettel kann aber in zwei Wochen zurückschlagen. Auf dem verwinkelten Kurs von Singapur gilt Ferrari als stärkste Kraft. Mercedes-Oberaufseher Niki Lauda warnte: „Die WM ist noch nicht gewonnen. Wir müssen in Sin- gapur Schadensbegrenzung betreiben. Der Ferrari ist ein Super-Auto für Singapur, der Red Bull auch.“
Hamilton erwischte einen guten Start und zog schnell einsam seine Kreise. Vettel kam von Platz sechs zunächst nicht nach vorn, in der dritten Runde überholte er aber seinen Edelhelfer Kimi Räikkönen (Finnland), zwei Runden später war der von Startplatz zwei gestartete F1-Debütant Lance Stroll (Kanada/ Williams) dran. Großer Jubel auf den in Rot getauchten Rängen brandete auf, als sich Vettel im achten von 53 Umläufen den dritten Platz von Force-India-Pilot Esteban Ocon (Frankreich) holte. Die Silberpfeile waren da aber schon weit entfernt – zu weit, wie sich bald herausstellte.
Nico Hülkenberg (Emmerich) erreichte mit seinem Renault nach seiner Strafversetzung (Tausch von Motorkomponenten) von Startplatz 14 nur den 13. Platz. Der Worndorfer Pascal Wehrlein, nach Strafen gegen neun Kollegen vom zwölften Platz gestartet, wurde 16. nach einem fehlerhaften Rennen.
In Monza stand alles im Zeichen von „70 Jahre Ferrari“. Vettel trug eine Sonderedition seines Helmes: Anstatt schwarz-rot-gold auf weißem Grund prangte auf dem Kopfschutz des Heppenheimers das „Cavallino Rampante“, das springende Pferd im Ferrari-Wappen, in Gold, eingefasst in die italienischen Landesfarben. Auch am Overall, auf der Airbox seines Boliden und am Motorhome der Scuderia prangte der Hinweis in riesigen Lettern. Doch Mercedes spielte nicht mit.