Fluch und Segen eines Albums
„Misplaced Childhood“von Marillion erscheint 32 Jahre später neu in edler Box.
DÜSSELDORF Nun gut, ein Jubiläum sieht anders aus. Am 17. Juni 1985 veröffentlichten Marillion ihr Album „Misplaced Childhood“. 32 Jahre später spendiert die Plattenfirma eine Deluxe-Ausgabe in edler Box, das neben dem neu abgemischten Originalalbum unter anderem auch ein unveröffentlichtes Livekonzert enthält. Dass es die Box nicht zu einem runden Jubiläum gab, ist eine von vielen seltsamen Entscheidungen der Labelbosse bei „Misplaced Childhood“. Schon bei den Aufnahmen 1985 ging es der damaligen Plattenfirma EMI nur darum, endlich einen Hit von Marillion zu bekommen. Als man beim Durchhören der Demobänder nichts entdecken konnte, wollte EMI, dass die Band den Song „Lady Nina“als Single veröffentlicht. Der freilich hat mit dem Album gar nichts zu tun und entstand nebenbei bei den Sessions. Noch irrer: Kayleigh sollte die B-Seite werden.
Doch die Band protestierte mit Erfolg. Kayleigh kam auf die A-Seite, der Rest ist bekannt: Der Song schnellte bis auf Platz zwei der englischen Charts. Das Album kletterte wenig später sogar an die Spitze.
Die Stärke des Albums: Texte und Musik bilden eine Einheit. Vor allem Kayleigh beeindruckte tief. In England tauften damals viele Eltern ihre Töchter auf den Namen. Dabei ist Kayleigh ein Fantasieprodukt. In dem Song verarbeitet Sänger Fish die Trennung von seiner Freundin Kay, die mit zweiten Vornamen Lee hieß – daraus wurde Kayleigh. Der Text des Songs berührt viele bis heute, die Geschichte dahinter auch. Nach der Trennung hatte Fish seine Ex-Freundin jahrelang nicht gesehen. 2005 tauchte Kay Lee bei einem Konzert von Fish auf und beide unterhielten sich lange. Damals soll sie das Album zum ersten Mal gehört haben. Einige Jahre später starb sie. Auch wenn der Song von unerfüllter Liebe handelt, gab es für Fish ein Happy End. Bei den Dreharbeiten zum Kayleigh-Video lernte er das deutsche Model Tamara Nowy kennen. Sie wurde seine Frau. Für die Band war Misplaced Childhood Fluch und Segen: Die Musiker verdienten zwar gut damit, doch die Gruppe zerbrach am Erfolg. Fish verließ die Band ein Album später. Marillion haben es vor einigen Monaten mit ihrem neuen Album Fear unbeachtet von der Öffentlichkeit in die Top Ten in England geschafft. Einen Hit wie Kayleigh sucht man darauf aber vergeblich.