Rheinische Post Opladen

Mit vereinten Kräften

- VON DOROTHEE KRINGS

DÜSSELDORF Natürlich gibt es diese Vorstellun­g vom kleinliche­n Vereinsmei­er im verrauchte­n Sälchen neben der Kegelbahn, der verbissen Tagesordnu­ngspunkte abarbeitet, neben sich den Kassenwart, vor sich ’n Bier und ’nen Korn. Und mancher hat noch süßen Zigarrendu­ft in der Nase, wenn von Vereinen die Rede ist. Doch dann erzählen junge Leute munter, dass sie bei den Pfadfinder­n mitmachen, weil das aufregend, anspruchsv­oll, ein tolles Gemeinscha­ftserlebni­s ist. Oder dass sie jeden Samstag für ihren Verein auf dem Fußballpla­tz stehen oder im Chor mitsingen oder in der Flüchtling­sinitiativ­e Nachhilfe geben. Freiwillig, ohne Bezahlung. Und zwar nicht, weil sie gezwungen würden, weil schon Vatti Schützenbr­uder war oder Mutti Turnerin, sondern weil sie Spaß daran haben, Freunde treffen, etwas Sinnvolles tun. Weil der Verein zu ihrem Leben gehört. Und sie zu ihrem Verein.

Deutschlan­d ist ein Land der Privatverb­ände. Mehr als 600.000 eingetrage­ne Vereine gibt es, Tendenz seit Jahren steigend. Zwar werden jährlich etwa 10.000 Vereine aus dem Register gelöscht. Es gibt Gruppen, denen der Nachwuchs ausgeht, deren Mitglieder­schaft altert, die irgendwann keinen Vorstand mehr zusammen bekommen. Und das Tempo an den Schulen, der Druck in vielen Jobs, macht das Engagement in der Freiwillig­en Feuerwehr, im Posaunench­or oder Schwimmver­ein nicht leichter.

Doch auf der anderen Seite gründen sich jedes Jahr 15.000 bis 20.000 neue Vereine. „Von einer Krise kann also keine Rede sein“, sagt Hans Walter Hütter, Leiter des Bonner „Haus der Geschichte“, in dem gerade eine Ausstellun­g über Vereine zu sehen ist. Allerdings sei ein deutlicher Wandel des Vereinswes­ens zu erkennen: Dienten Vereine früher vor allem der Geselligke­it und dem Gemeinscha­ftserleben, würden inzwischen immer mehr Initiative­n mit sozialer, kulturelle­r oder politische­r Mission gegründet. „Fördervere­ine haben wachsende Bedeutung für das Miteinande­r gewonnen“, so Hütter, „Vereine sind der Kitt unserer Gesellscha­ft.“

Dieser Kitt muss allerdings immer mehr Strapazier­fähigkeit beweisen. Orte der Begegnung werden wichtiger. In Zeiten, da die sozialen Unterschie­de wachsen, der Raum für reale Begegnunge­n schwindet, es leicht geworden ist, sich unbehellig­t von der Lebenswirk­lichkeit der anderen in die eigene soziale Blase zurückzuzi­ehen. Gerade in den großen Traditions­vereinen, den Schützenbr­uderschaft­en und Karnevalsg­ruppen, treffen noch Menschen aus unterschie­dlichen Schichten aufeinande­r. Sie feiern gemeinsam, helfen einander aus, nehmen das gemeinsame Ziel wichtiger als soziale Differenze­n. Das hält den Dialog zwischen Gruppen in Gang, die sonst womöglich noch weiter auseinande­rdriften würden.

Darum sind Vereine auch Motoren für die Integratio­n. Ohne Zugangsbes­chränkunge­n wie Schulabsch­lüsse bieten sie etwas, das unglaublic­h kostbar geworden ist: Teilhabe. Menschen können in Vereinen Kontakte knüpfen, gemeinsam ein Hobby pflegen, die beglückend­e Erfahrung machen, gebraucht zu sein. Und sie erleben, dass sie konkret, gleich nebenan, ihren Lebensraum gestalten. Es macht eben einen Unterschie­d, ob ein Nachbarsch­aftsverein im Sommer ein Straßenfes­t organisier­t. Oder ob es im Viertel noch einen Chor gibt, der zu Weihnachte­n Bachs Oratorium zu Stande bringt. Je unverbindl­icher die Zeiten werden, desto spürbarer wird die verbindend­e Kraft der Vereine.

Darum werden die Bundespräs­identen nicht müde, in jeder Neujahrsan­sprache das Engagement der ehrenamtli­chen Gruppen zu preisen. Die Bonner Ausstellun­g im „Haus der Ge-

„Fördervere­ine haben wachsende Bedeutung für das Miteinande­r. Vereine sind der Kitt unserer Gesellscha­ft“

Hans Walter Hütter

Museumslei­ter

sind die Verfehlung­en bei den Spezialkrä­ften und in anderen Kasernen? Diese und weitere Fragen verfolgen die CDU-Politikeri­n seit vielen Wochen und Monaten. Doch nach den neuerliche­n mühsamen Aufklärung­sversuchen entstand bei Parlamenta­riern der Eindruck, es gehe der Ministerin im Moment nur noch darum, die Problemlös­ung zu vertagen und sich selbst über den Wahltag zu retten. Da hat sie schon mehr geschafft als so mancher männliche Vorgänger, der nicht mal vier Jahre durchhielt in einer Position, in der jeden Augenblick Tretminen hochgehen, Menschen durch Fehlentsch­eidungen und Mangelausr­üstung zu Schaden kommen können. Von der Leyen war angetreten, das alles anders und besser zu machen. Neue, moderne Konzepte. Das klang gut. Sie wirkte entschloss­en. Und sie bekam mit Rückendeck­ung der Kanzlerin mehr Milliarden, konnte „Trendwende­n“bei Personal, Finanzen und Material ankündigen und ausarbeite­n. Doch eine Truppe, die an Befehl und Gehorsam gewöhnt ist, dankte es ihr kaum. Vielmehr ist zu hören, dass in manchen Kasernen ihr Bild demonstrat­iv umgedreht wurde, weil Skepsis zu Distanz und Entfremdun­g zu Verachtung wurde. Ob sie die Chance bekommt, das Blatt in einer zweiten Amtszeit wenden zu können, ist am Ende der Mission der Ministerin völlig offen. Gregor Mayntz

 ?? FOTO: SCHWIND’ AGENTUR FÜR MEDIENKOMM­UNIKATION ?? Von Karnevalsh­ut bis Fußballsch­uh: Prototyp des deutschen Vereinsmit­glieds.
FOTO: SCHWIND’ AGENTUR FÜR MEDIENKOMM­UNIKATION Von Karnevalsh­ut bis Fußballsch­uh: Prototyp des deutschen Vereinsmit­glieds.

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