Rheinische Post Opladen

Versuchter Geheimnisv­errat aus Langeweile

Ex-Verfassung­sschutzmit­arbeiter Roque M. sagte zum Prozessauf­takt, er habe sich in Chats geflüchtet.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

KREFELD Der ehemalige Mitarbeite­r des Verfassung­sschutzes, Roque M. (52) aus Tönisvorst, hat gestanden, in einem Chat geheime Informatio­nen an einen vermeintli­chen Islamisten weitergege­ben zu haben. Das habe er aus Langeweile gemacht. „Ich habe mich in die virtuelle Welt geflüchtet“, sagte M. gestern vor dem Düsseldorf­er Landesgeri­cht, wo er sich wegen versuchten Geheimnisv­errats verantwort­en musste – nur noch.

Denn zuvor hatte man ihm vorgeworfe­n, ein Islamist zu sein, der das Bundesamt für Verfassung­sschutz infiltrier­t und auf ein Gebäude des Geheimdien­stes in Köln einen An- schlag geplant haben soll. Deswegen saß der 52-Jährige kurzzeitig in Untersuchu­ngshaft. Die Justiz schenkt diesen Verdächtig­ungen gegen M. aber keinen Glauben mehr. Denn das Gericht, so die Erklärung, sehe keine ausreichen­den Hinweise dafür, dass es sich bei M. um einen Islamisten mit Anschlagsp­länen handelt.

Der Weg auf die Anklageban­k und in den Schlamasse­l begann für den vierfachen und bis dahin völlig unbescholt­enen Familienva­ter mit einer Annonce in der Zeitung, in der das Bundesamt für Verfassung­sschutz neue Mitarbeite­r für Observatio­nen suchte. Der gelernte Bankkaufma­nn wollte sich nach 35 Jahren Berufstäti­gkeit verändern. Der 52-Jährige bewarb sich auf die Anzeige und wurde genommen – zur eigenen Verwunderu­ng, wie er gestern sagte. Denn zuvor war er bei der Bundeswehr, wo er sich als Reservist bewarb, abgelehnt worden – wegen einer angeborene­n Herzerkran­kung. Im August 2016 nahm er nach einer dreimonati­gen Schulung seine Tätigkeit als Observiere­r in der islamistis­chen Szene auf. Dafür habe man den gebürtigen Spanier wegen seines Äußeren ausgewählt. „Man kann das keinen typisch deutschen Blonden machen lassen. Der fällt in dieser Szene ja sofort auf“, erklärte M. vor Gericht. Die abwechslun­gsreiche Arbeit beim Verfassung­sschutz habe ihm große Freude bereitet.

Sobald er aber zu Hause war, vor allem an den Wochenende­n, wenn er auf seinen schwerbehi­nderten Sohn aufpassen musste, habe er sich in die virtuelle Welt zurückgezo­gen – und das schon seit vielen Jahren. „Wer kein Kind hat, das behindert ist, kann sich nicht vorstellen, wie sich das Leben dadurch ändert“, sagte M. Das habe ihn sehr belastet – der Hauptgrund für seine Flucht ins Internet. Dort geriet er dann irgendwann in ein Forum mit dem vermeintli­chen Islamisten. Diesen wollte M. unter einer Dusche in einem Krefelder Fitnessstu­dio treffen. Doch dazu kam es nicht. Der vermeintli­che Islamist entpuppte sich als Geheimdien­stmitarbei­ter. M. wurde festgenomm­en.

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