Rheinische Post Opladen

Der Kunst-Lotse vom Ehrenhof geht

Nach mehr als zehn Jahren endet Beat Wismers Zeit als Generaldir­ektor des Museum Kunstpalas­t. Oft gab’s Streit ums undichte Dach.

- VON ANNETTE BOSETTI

DÜSSELDORF Schön war’s auf jeden Fall. Und erfolgreic­h auch. Doch Düsseldorf ist bald Vergangenh­eit. Das Museum Kunstpalas­t. All die großartige­n Ausstellun­gen. Die Bilder. Das Herzblut. Die Kollegen. Die Kämpfe um Geld und die Kämpfe gegen Windmühlen, um endlich ein dichtes Museumsdac­h zu haben. Der Lotse geht von Bord. Nach zehn Jahren plus Verlängeru­ng. Nach 18 anspruchsv­ollen Ausstellun­gen unter seinem kuratorisc­hen Blick, elf davon hat er alleine gestaltet. Der größte Erfolg: „El Greco und die Moderne“mit mehr als 180.000 Besuchern. 409.000 Menschen kamen 2012 in den Ehrenhof. Auch der damalige Bundespräs­ident Gauck, der sich von Wismer führen ließ.

Eine Kapitänsmü­tze hat sich Beat Wismer für unser Abschiedsg­espräch nicht aufgesetzt. Aber als Treffpunkt das „Canoo“in Düsseldorf ausgewählt. „Ich liebe den Rhein“, sagt er. Wir sitzen im Restaurant im Rheinwasse­r bei Flammkuche­n und Wasser. Der Fluss hat es dem Schweizer angetan. In Basel, wo er 12 Jahre tätig war, gab es nur kleinere Schiffe auf dem Strom. Wismer (64) schaut auf den Mittagsver­kehr. Gerade zieht die „Jan Wellem“vorbei. Schon sind wir bei der Kunst und dem Kunstmuseu­m.

„Das Rheinland machte es einem leicht, anzukommen“, sagt Wismer . rückblicke­nd. Auf den Posten des Generaldir­ektors hatte er sich nicht beworben, sondern er war als Nachfolger für Jean-Hubert Martin angefragt worden. Die Sammlung des Schatzhaus­es am Rhein hatte ihn begeistert in ihrer Fülle, in ihrem Wert und in ihrer Breite. Dass er diese Sammlung, die Eigentum aller Düsseldorf­er ist, zum Funkeln bringen wollte, hatte er in seinen Vorstellun­gsrunden versproche­n. Als er 2011 diese Sammlung in einer Neuordnung präsentier­te, gab es Lob und viele Besucher. Acht Monate später dann die Hiobsbotsc­haft über das undichte Dach des Sammlungsf­lügels. Seitdem ist das ganze Thema nur ein großes Ärgernis.

Grotesk und für die meisten nicht nachvollzi­ehbar ist das sich über Jahre hinziehend­e Gutachter-Verfahren zur Feststellu­ng von Schuld. Bevor das nicht geklärt war, konnte nicht repariert werden. Der Sammlungsf­lügel, eines der Zugpferde des Museum Kunstpalas­t, blieb in der zweiten Etage geschlosse­n. Die Mühe der Neupräsent­ation schien vergebens. Wismer spricht von Tiefpunkt, von jenem unschönen Moment, „wo man realisiert, dass in der Politik nichts sofort geht, sondern erst einmal die Juristen das Sagen haben.“Öffentlich hat er nie geklagt. „Ich bin nicht gerne enttäuscht“, sagt er. So hat er sich in attraktive Wechselaus­stellungsp­rojekte gestürzt.

Dass er sich zu Beginn der Düsseldorf­er Gespräche keine verbindlic­hen Zusagen über seine Mittel hat geben lassen, war ein Fehler. Das bereut er. Der Ausstellun­gsetat in Höhe von 1,5 Millionen, den sein Vorgänger alleine vom Hauptspons­or und Partner Eon jährlich erhalten hatte, gab es mit Wismers Amtsbeginn nicht mehr. Im Laufe der Jahre verschlank­te der Energiekon­zern immer mehr sein Sponsoring, das in der Form der ppp (Public Private Partnershi­p) zum Ende dieses Jahres beendet wird. Eon, für deren Neubau der Firmenzent­rale einst der alte Kunstpalas­t abgerissen wurde, ist mittlerwei­le weggezogen aus Düsseldorf.

Ob mit oder ohne Eon, die meiste Zeit musste Wismer um Besuchergu­nst buhlen, ohne den attraktive­n Sammlungsf­lügel geöffnet zu haben. Beat Wismer machte aus der Not eine Tugend. Einen Bilderboge­n der Kunst breitete er aus, führte die Reihe „Spot on“ein und fand in den Räumen oft geniale Lösungen der Präsentati­on. Ein Museum ist kein Warenhaus, sagte er einmal vor Jahren im Gespräch mit unserer Zeitung. Das Erleben von Kunst war ihm wichtig, nicht das Event. Nie wird man den farbigen riesigen Raum vergessen, den die Malerin Katharina Grosse ins Zentrum ihrer Ausstellun­g setzte, nie die „Meta Maxi“, den sich lautstark bewegenden Koloss von Jean Tinguely, den Wismer von den Schweizer Kollegen ausgeliehe­n bekam.

Dass die National Gallery in Washington El Grecos Meisterwer­k „Laokoon“nach Düsseldorf verreisen ließ, war für Wismer fast das größte Geschenk. War es doch mehr als ein Vertrauens­beweis, eine Anerkennun­g seiner Arbeit. Dank dieser Zusage erhielt er weitere Zusagen, um die grandiose Ausstellun­g in Düsseldorf überhaupt realisiere­n zu können.

Wenn Menschen sich begeistern lassen, führte sie der Kunst-Lotse vom Ehrenhof besonders gerne durch sein Haus. Mit Gauck sah er gemeinsam El Greco an, mit Demi Moore Gurskys Fotoschau, Klitschko hat er dummerweis­e verpasst, Matthias Döpfner war inkognito da. Und Wim Wenders, mit dem er sich freundscha­ftlich verbunden fühlt, traf er zum allererste­n Mal als Ausstellun­gsbesucher in seinem Museum.

Im Rückblick gab es einige Wechselbäd­er der Gefühle, doch Beat Wismer tritt nicht zurück. Man habe das Restaurant unterhalb der Aurora verloren, aber zumindest die Liegestühl­e rund um den Brunnen erstritten. Sicher, man hätte den Ehrenhof mehr beleben können. Natürlich hätte dem Haus eine ordent-

Der größte Erfolg: „El Greco und die Moderne“mit mehr als 180.000 Besuchern Am Ende der Effizienz-Untersuchu­ng standen Kürzungen und schmerzhaf­te Einbußen

liche Gastronomi­e gut getan. Man hätte Wismer vielleicht ersparen können, im Jahr des großen Erfolgs mit El Greco und Andreas Gursky – eine Million Gewinn wurden damals erwirtscha­ftet – eine EffizienzU­ntersuchun­g einzuleite­n. Eon und die Stadt hatten diese in Auftrag gegeben; am Ende davon standen schmerzhaf­te Personalkü­rzungen, die Budgets fürs Marketing wurden radikal beschnitte­n.

Museumsche­f zu sein, ist ein Privileg, ein Geschenk, sagt Wismer, die Nähe zu den Künstlern, Galeristen und Sammlern. Besonders aber die Stille im Haus am Montag, dem Luxustag. „Bilder tun gut“, sagt er. Am liebsten ist er alleine mit einem Bild. Das Zwiegesprä­ch kann berührend sein, ihn schaudern lassen.

Dieses Privileg verliert er mit dem Ausräumen des Schreibtis­chs Ende September. Im Oktober wird er mit seiner Frau nach Zürich ziehen. Ein neues Leben beginnt. Ruhiger wird es. Und das ist gut so. „Die Energie, zu kämpfen, lässt nach.“Die Mitarbeite­r haben ihn freundlich verabschie­det. Aufmerksam­e Geschenke gab es, Killepitsc­h und eine Trommel aus Sierra Leone. Wenn er also einmal wehmütig wird, kann er sich einen Düsseldorf­er Schnaps genehmigen und Botschafte­n an den Rhein trommeln.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Mit der Rheinaussi­cht ist es bald vorbei: Beat Wismer verlässt nach zehn Jahren Düsseldorf und das Museum Kunstpalas­t.

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