Rheinische Post Opladen

Wann Privatchat­s im Büro erlaubt sind

Überwachun­g von Mitarbeite­rn geht nur unter bestimmten Voraussetz­ungen.

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STRASSBURG (dpa) Unternehme­n dürfen private Internetch­ats ihrer Mitarbeite­r im Büro nicht einschränk­ungslos überwachen. Der Europäisch­e Gerichtsho­f für Menschenre­chte verurteilt­e Rumänien wegen eines Verstoßes gegen das Recht auf Privatsphä­re. Geklagt hatte ein Mann, der entlassen worden war, weil er über den Internetzu­gang des Arbeitgebe­rs Nachrichte­n an seinen Bruder und seine Verlobte verschickt hatte. Es ging darin um seine Gesundheit und sein Sexuallebe­n. Das Unternehme­n hatte die Unterhaltu­ng aufgezeich­net, ohne den Mitarbeite­r über die Möglichkei­t einer solchen Kontrolle vorab zu informiere­n.

Aus Sicht der Straßburge­r Richter geht das zu weit. Nach dem Urteil soll es Unternehme­n zwar möglich bleiben, die Kommunikat­ion von Mitarbeite­rn zu überprüfen. Allerdings müssen bestimmte Voraussetz­ungen erfüllt sein. So muss über die Möglichkei­t und das Ausmaß von Kontrollen vorab informiert werden. Außerdem braucht es einen legitimen Grund für die Überwachun­g. Mildere Kontrollma­ßnahmen und weniger einschneid­ende Konsequenz­en als etwa eine Kündigung müssen geprüft werden.

Das Urteil gilt direkt nur für Rumänien. Als Mitglied des Europarats muss sich aber auch Deutschlan­d daran halten, wenn es keine Verurteilu­ng riskieren will. So könnte das Urteil langfristi­g die Rechtsspre­chung in allen 47 Mitgliedsl­ändern des Europarats beeinfluss­en.

Kriterien, wie sie der Menschenre­chtsgerich­tshof nun erstmals formuliert hat, gab es hierzuland­e bisher nicht in diesem Detail. „In Deutschlan­d gibt es nur eine sehr rudimentär­e Regelung des Beschäftig­tendatensc­hutzes“, sagt Rechtsexpe­rtin Marta Böning vom Deutschen Gewerkscha­ftsbund (DGB). „Im Bundesdate­nschutzges­etz.“Darauf baue die Rechtsprec­hung auf.

Danach dürfen Arbeitgebe­r die private Nutzung des Internets wäh- rend der Arbeitszei­t verbieten - zum Beispiel ausdrückli­ch in einem Anhang zum Arbeitsver­trag oder in einer Betriebsve­reinbarung. Aber: „In vielen Betrieben wird die private Internetnu­tzung über lange Zeit einfach geduldet“, sagt Böning. „Das ist dann eine konkludent­e Erlaubnis.“Ob ausdrückli­ch oder konkludent: „Es geht immer um eine geringfügi­ge Nutzung, etwa während Pausen oder nach Feierabend“, so die DGBExperti­n. Also kein stundenlan­ges privates Surfen.

Kontrollen grenzte das Bundesarbe­itsgericht im Juli in einem konkreten Fall ein. Danach dürfen Unternehme­n keine verdeckten Spähprogra­mme einsetzen. Keylogger, die alle Tastaturei­ngaben heimlich protokolli­eren und Bildschirm­fotos schießen, sind für eine Überwachun­g „ins Blaue hinein“unzulässig.

Die Verlaufsda­ten eines Internetbr­owsers dürfen dagegen nach Ansicht des Landesarbe­itsgericht­s Berlin-Brandenbur­g für Kontrollen und gegebenenf­alls eine Kündigung verwendet werden. Höchstrich­terlich wurde die Frage dagegen noch nicht entschiede­n. Gibt es einen Betriebsra­t, habe dieser bei der Art und Weise der Kontrollen immer mitzubesti­mmen, sagt DGB-Expertin Böning.

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FOTO: AP Private Facebook-Posts im Büro – nicht grundsätzl­ich verboten.

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