Rheinische Post Opladen

Axt-Angreifer hörte Stimmen

In Düsseldorf hat gestern der Prozess gegen den Mann begonnen, der im vergangene­n März im Hauptbahnh­of mit einer Axt auf Menschen eingeschla­gen haben soll. Einem Gutachter sagte der Angeklagte, er sei von Geistern verfolgt worden.

- VON HELENE PAWLITZKI

DÜSSELDORF Was treibt einen Menschen dazu, mit einer Axt wahllos auf Menschen einzuschla­gen und dann von einer Eisenbahnb­rücke zu springen? Im Fall von Fatmir H. war es vielleicht Angst. Angst vor einer Bedrohung, die sehr wahrschein­lich nicht existierte.

Dass er es war, der am 9. März gegen 20.50 Uhr am Gleis 13 des Düsseldorf­er Hauptbahnh­ofs acht Menschen mit Axthieben schwere Verletzung­en zufügte, ist im Grunde nicht mehr strittig. Vor Gericht geht es deshalb jetzt um die Frage, ob der inzwischen 37-jährige Kosovare weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinh­eit darstellt und deshalb dauerhaft in einer geschlosse­nen psychiatri­schen Klinik untergebra­cht werden soll.

Sein Mandant wolle sich grundsätzl­ich äußern, sagte Verteidige­r Oliver Doelfs an diesem ersten Prozesstag am Düsseldorf­er Landgerich­t. „Er hat mir aber vorhin gesagt, dass er heute keine Aussage machen wird.“Stattdesse­n schilderte ein psychiatri­scher Gutachter ausführlic­h, was H. ihm in zehn Gesprächss­tunden gesagt hatte: Dass er an jenem Donnerstag im März mit seiner Axt in einem Koffer verschiede­ne Züge nahm, bis er schließlic­h in Düsseldorf aus der S28 Richtung Mettmann stieg. Dass er Stimmen hörte, die ihm in diesem Moment befahlen: „Du musst jetzt einschlage­n auf die Menschen, jetzt oder nie.“An Details erinnere er sich nicht mehr, gab er gegenüber dem Gutachter an. Nur noch, dass er auf einen am Boden liegenden Menschen eingeschla­gen habe. Die Geister hätten ihm gesagt, er solle all diese Menschen umbringen, damit die Polizei ihn anschließe­nd erschösse, so H. zum Gutachter. Er erinnere sich auch an den Sprung „kopfüber“von der Brücke. Dort nahm ihn die Polizei fest. Er hatte sich beim Aufprall beide Beine gebrochen.

Vor Gericht hörte H. sich die Aussage des Gutachters regungslos an. Der dunkelhaar­ige Angeklagte, blass, unrasiert und mit einem dunkelgrau­en Kapuzen-Pullover bekleidet, wirkte apathisch, seine Bewegungen wie verlangsam­t, wenn er sich kurz im Stuhl zurechtset­zte, blinzelte, sich die Lippen leckte. Die meiste Zeit hörte er mit leicht geöffnetem Mund dem Übersetzer zu. Auch ihm sei aufgefalle­n, dass sein Mandant sehr langsam spreche, sagte Anwalt Doelfs nach dem Prozess. Das hänge wahrschein­lich mit den Medikament­en zusammen. „Er kann aber den Besprechun­gen sehr gut folgen, so dass ich davon ausgehe, dass er auch der Verhandlun­g folgen kann.“

H. sei immer noch sehr angstbehaf­tet, sagt Doelfs. „Er glaubt, dass er bestraft wird für das, was er getan hat, indem man ihm eine Spritze gibt, die ihn dauerhaft an den Rollstuhl fesselt.“Seine Ärztin habe ihm gesagt, dass das in der Klinik nicht passieren werde, so Doelfs. Es sei auch überlegt worden, seine Medikament­e anzupassen, allerdings wolle man das nicht während der Hauptverha­ndlung tun, da unklar sei, wie H. darauf reagieren werde.

Medikament­e bekam der Angeklagte bereits vor der Tat. In Wuppertal war er in einer psychiatri­schen Praxis in Behandlung. Doch offenbar halfen die Psychophar­maka ihm nicht – oder nicht ausreichen­d. Er habe sich verfolgt gefühlt von einem Mann, den er Bayram Ukur nenne, so der Gutachter. Den Namen könne er nur nach H.s Aussprache wiedergebe­n. Ob es ihn wirklich gibt oder nicht, blieb vor Gericht unklar. H. glaubte jedenfalls fest daran. Ukur habe seine polnischen Nachbarn und sogar seine eigenen Brüder darauf angesetzt, ihn zu töten.

Fatmir H. lebte in Angst vor dieser Bedrohung. Er habe kaum noch die Wohnung verlassen und eine Kommode vor die Tür geschoben, um sich zu schützen, sagte er dem Gutachter. Offenbar wandte er sich mehrfach an die Polizei, die ihn mit dem Ratschlag nach Hause schickte, wenn es eine akute Bedrohung gebe, solle er sich melden. Schließlic­h kaufte H. sich in Wuppertal eine Axt, um sich zu schützen. Außerdem setzte er die Medikament­e ab, die ihn betäubten.

Schließlic­h beschloss er, zu handeln. Mit der Axt in einem Koffer wollte er zu Bayram Ukur fahren, um sich ihm entgegenzu­stellen. Doch er schaffte es nicht, am Wuppertale­r Hauptbahnh­of ein Ticket zu lösen. Deswegen stieg er einfach in irgendeine­n Zug. Es folgte offenbar eine Irrfahrt durch mehrere Städte, immer verfolgt von den Stimmen, die zu ihm sprachen.

Es sei nicht sein Wille gewesen, was er getan habe, sagte H. dem Gutachter. Jetzt muss das Gericht entscheide­n, was mit ihm geschieht. Es sind acht Verhandlun­gstage angesetzt.

Er habe sich verfolgt gefühlt von einem Mann, den er Bayram Ukur nenne, so der Gutachter

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FOTO: DPA Fatmir H. steht seit gestern vor Gericht. Er soll unter dem Einfluss einer paranoiden Schizophre­nie acht Menschen mit einer Axt verletzt haben.

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