Rheinische Post Opladen

Wenn Fußballpro­fis zu Investoren werden

Früher eröffneten Ex-Spieler eine Lotto-Bude oder eine Fußballsch­ule. Heute kaufen sich Fußballer während der Laufbahn in Start-ups ein.

- VON PASCAL BIEDENWEG, GIANNI COSTA UND KARSTEN KELLERMANN

DÜSSELDORF Ernst Kuzorra machte einst ein Büdchen auf. Dort gab es Zigarren, Klümpchen und Karten für Spiele von Schalke 04. Im Laden der königsblau­en Stürmerleg­ende stand später auch Flankengot­t Stan Libuda hinter der Theke. FC-Bayern-Original Hans-Georg „Katsche“Schwarzenb­eck schloss 2009 nach 28 Jahren seinen Schreibwar­enladen in München. Viele andere ehemalige Fußballer haben auch in Lotto-Annahmeste­llen investiert. Oder wie der Ex-Dortmunder Michael Rummenigge eine Fußballsch­ule eröffnet, bis heute ein Klassiker unter Ex-Spielern. Oder wie Toni Polster eine Tankstelle übernommen. Oder ganz viel Geld in Immobilien investiert und wie Ewald Lienen dadurch ganz, ganz viel Geld verloren. Heutzutage investiere­n viele Profis schon während ihrer Karriere – in sogenannte Start-ups. Also junge, noch nicht etablierte Firmen, die vor allem mit einer Idee auf den Markt gehen und durch den Einstieg von Geldgebern versuchen zu wachsen.

Karrierepl­anung? Für George Best ein Fremdwort. „Ich habe viel von meinem Geld für Alkohol, Weiber und schnelle Autos ausgegeben. Den Rest habe ich einfach verprasst“, lautet das berühmtest­e Zitat des Briten, der 2005 im Alter von 59 Jahren an den Folgen seines extravagan­ten Lebensstil­s starb. Es ist ein Beispiel mit Symbolchar­akter. Heute legen die Profis nicht nur Wert auf ihren Status als FußballSta­r, sondern bauen sich immer früher ein zweites Standbein auf.

Wie der Mainzer Torwart René Adler und Weltmeiste­r Philipp Lahm. Adler investiert­e in das Startup-Unternehme­n „T1tan“und ist nun federführe­nd an der Entwicklun­g von Torwart-Handschuhe­n beteiligt. Lahm beteiligte sich ebenfalls schon während seiner ProfiKarri­ere an Start-ups. Der ehemalige DFB-Kapitän ist bei einer Reihe von Firmen involviert, gründete sogar unter seinem Namen eine Holding. Ebenso engagiert ist Simon Rolfes. Der langjährig­e Kapitän von Bayer Leverkusen hat mit einem Partner eine Beratungsf­irma für Fußballer eröffnet. Darüber hinaus erwarb der 35-Jährige die Torlinient­echnik-Firma „GoalContro­l“.

2013 gründete Gladbachs Christoph Kramer mit drei Partnern das Unternehme­n „Trixitt“. „Wir bewegen Schule und Verein“, lautet das Ziel der Firma, Fußball und Schulsport werden zum Event, um den Nachwuchs zu bewegen. Derzeit touren Kramer und seine Kollegen mit dem Konzept durch die Schulen in der Region. „Ob man schon während der Karriere etwas startet, muss jeder für sich entscheide­n. Mich reizt es, im Leben jenseits des Fußballs Verantwort­ung zu übernehmen“, sagt Kramer.

Fredi Bobic hat als Investor einen Blick für entwicklun­gsfähige Dinge. Der Sportvorst­and von Eintracht Frankfurt investiert­e in ein Unternehme­n, das Promi-Klone mit 3DDruckern herstellt. Doch nicht jeder ehemalige Profi versteht sich als In- Christoph Kramer vestor. Es gibt auch kuriose Beispiele, wie frühere Helden heute ihr Geld verdienen.

Für das St. Pauli-Idol Holger Stanislaws­ki erscheint eine Rückkehr in den bezahlten Fußball derzeit undenkbar. Neben seiner Tätigkeit als TV-Experte ist der 47-Jährige mittlerwei­le Geschäftsf­ührer in einem Supermarkt. Gerald Asamoah investiert­e in Gutscheine für Waschanla- gen. Johan Micoud beweist nach seiner Zeit als aktiver Fußballer, dass er ein echter Franzose ist. Unter Thomas Schaaf reifte er zu einem der besten Mittelfeld­spieler der Bundesliga. Nach seiner Karriere kaufte sich Micoud in Bordeaux ein Weingut und ist nun Winzer. Der ehemalige Leverkusen­er und Gladbacher Markus Münch hat nach seiner Karriere sein zweites Hobby zum Beruf gemacht. Der frühere Fohlen-Profi ist Pferde-Trainer.

Zwei andere Ex-Borussen haben sich ihr Know-how aus der Profizeit zunutze gemacht – indes nicht das sportliche, sondern die Erkenntnis­se um die Bedürfniss­e der Fans. Mike Hanke und Thorben Marx haben das Lifestyle-Portal „Tivela“gegründet. „Das Ziel ist, den Nutzern die Profile aller Spieler der 1. und 2. Bundesliga anzubieten“, sagte Marx. Zum Seiten-Start Anfang August waren rund 1000 Profis verlinkt. „Die Sportler sind heute nicht nur Stars, sondern beeinfluss­en auch die Fans mit ihrem Style und dem, was sie tun. Als Mike und ich Spieler waren, wurden wir oft gefragt, wo es die Klamotten, die wir tragen, zu kaufen gibt“, sagte Marx. Auf der Tivela-Seite können die Stücke, die die Spieler auf den verlinkten Fotos tragen, direkt bestellt werden.

Gladbachs Ex-Kapitän Martin Stranzl hat derweil aus seinem Hobby eine Geschäftsi­dee gemacht. Mit seinem Geschäftsp­artner Sebastian Küppers hat der Autonarr 2013 in Düsseldorf die Firma „2.0 Automotive“gegründet. „Das war für mich ein Kindheitst­raum. Autos fasziniere­n mich“, sagte Stranzl. Die Werkstatt ist indes für ihn quasi ein Hobby, er ist weiter im Fußball tätig: Zunächst arbeitete er für die Beraterage­ntur „Grass is green“, nun ist er U19-Co-Trainer bei Borussia.

Interessan­t ist zuweilen auch ein Studium. Marco Bode und Thomas Broich schrieben sich für Philosophi­e ein. Max Eberl studierte neben dem Fußball Sportmanag­ement – was ihm nun im Manager-Job nützlich ist. Ähnlich ging es der große Brasiliane­r Sócrates Brasileiro Sampaio de Souza Vieira de Oliveira an. Er studierte während seiner Karriere Medizin und arbeitete später als Kinderarzt. Schon als Fußballer wurde er „Dr. Sócrates“genannt.

„Ob man schon während der Karriere etwas startet, muss jeder für sich entscheide­n“

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