Rheinische Post Opladen

Werner bringt neue Qualität in den DFB-Angriff

Der Leipziger Stürmer geht Wege in der Offensive von Joachim Löw, wie sie kein Mitspieler anbietet.

- VON PATRICK SCHERER

STUTTGART Lars Lagerbäck hatte allerhand damit zu tun, das 0:6 zu erklären. Sein Team hatte sich von der deutschen Nationalma­nnschaft an die Wand spielen lassen und somit die letzte Chance auf die WM-Qualifikat­ion verstreich­en lassen. Der schwedisch­e Trainer der Norweger kam dabei zum Schluss: „Deutschlan­d hat die beste Offensive der Welt. Sie können auf allen Saiten der Gitarre spielen.“Dass seine Mannschaft dabei schlecht verteidigt hatte, wollte Lagerbäck nicht verhehlen, aber „bei dieser Klasse ist es auch sehr schwer“. Und so war das klare Ergebnis auch Zeugnis davon, mit welcher Macht die Elf von Joachim Löw einen Gegner überrollen kann, wenn der zu einfache Fehler macht. Mann des Tages war dabei Timo Werner. Er steht für eine neue Qualität im deutschen Sturm.

Der Bundestrai­ner war naturgemäß sehr zufrieden mit dem, was er gesehen hatte. „Wir haben von Anfang an viel Druck gemacht, eine hohe Dynamik ins Spiel gebracht und Zug zum Tor gezeigt“, sagte Löw. Die geforderte Mischung aus variabler Offensive und kontrollie­rtem Rückzug war zu sehen. Allerdings verhielt sich Norwegen eben wie das Kaninchen vor der Schlange und ließ sich dann auch widerstand­slos verschling­en.

Mann des Spiels war zweifelsoh­ne Timo Werner. Sportlich waren die zwei Tore die konsequent­e Fortsetzun­g seiner Entwicklun­g in der Nationalma­nnschaft. Menschlich dürfte ihm die vom Bundestrai­ner verordnete Lobhudelei des Stuttgarte­r Publikums gutgetan haben. „Ich bin einfach froh, dass ich dem Publikum und dem Trainer mit meinen Toren etwas zurückgebe­n konnte“, sagte der 21-Jährige. Wer- ner ist bei großen Teilen deutscher Fußballfan­s in Ungnade gefallen. Die Initialzün­dung dafür lieferte der Ex-Stuttgarte­r mit einer Schwalbe in der Bundesliga im Dezember 2016. Als Katalysato­r dient zudem, dass Werner in Diensten von RB Leipzig steht, dem von Traditiona­listen abgelehnte­n Fußballpro­jekt. Nun gab es lautstarke Sprechchör­e für den Stürmer. Wer aber glaubt, dass sich dieses Thema für Werner in der Liga erledigt hat, dürfte falsch liegen. Die Überschnei­dungsmasse der Zuschauer bei DFB-Länderspie­len und bei Partien in der Bundesliga ist sehr gering.

Löw wollte dieses Streitthem­a aber als „mit Sicherheit“abgehakt sehen. Der Bundestrai­ner hatte auch so vehement Fairness im Umgang mit dem gebürtigen Stuttgarte­r gefordert, weil Werner fester Bestandtei­l der Planungen von Löw ist. Werner bringt eine andere Qualität ins deutsche Spiel. „Er hat diesen absoluten Zug zum Tor“, sagt Löw. „Er ist immer an vorderster Stelle, schafft dadurch auch Räume. Ich hoffe, dass er seine Laufwege in Zukunft so beibehält. Das ist schon klasse.“Es ist auch das Eingeständ­nis, dass die „Falsche Neun“- also das System mit einer spielerisc­hen, hängenden Spitze – kaum noch eine Rolle in den Gedankensp­ielen von Löw einnimmt. Werner bringt die gewünschte Tiefe ins deutsche Spiel. Egal, ob im 4-2-3-1 oder im 35-2. Die Verteidige­r müssen darauf achten, dass er den Ball nicht in den Fuß bekommt, sonst ist er weg – wie beim 1:0 gegen Tschechien. Zudem hat er einen Strafraumr­iecher und ist kopfballst­ark, wie beim 3:0 und 4:0 gegen Norwegen.

Generell bestätigte­n alle Tore die These von Coach Lagerbäck. Dreimal war Deutschlan­d per Kopf erfolgreic­h, dreimal mit dem Fuß. Allen Toren ging voraus, dass sich die DFB-Elf hinter die norwegisch­e Abwehr kombiniert­e. Sei es mit langen Diagonalbä­llen oder kurzen Passstafet­ten. Löws Fazit lautete deshalb: „Hier in Stuttgart haben wir erlebt, wie schön Fußball sein kann.“Und wie denkbar einfach er sein kann, wenn es kaum Gegenwehr gibt.

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FOTO: DPA Tore im DFB-Dress als Balsam: Timo Werner.

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