Rheinische Post Opladen

Trumps wahre Agenda

- VON MATTHIAS BEERMANN

DÜSSELDORF Wenn Donald Trump twittert, dann drischt er bekanntlic­h mit besonderer Hingabe auf die Medien ein. Die würden ihn ungerecht behandeln und seine Politik grundsätzl­ich mies machen. Fake news! In Wirklichke­it, so tönt Trump, sei seine Politik die erfolgreic­hste, die je ein amerikanis­cher Präsident ins Werk gesetzt habe. Ansichtssa­che. Richtig ist: Die TrumpRegie­rung hat die USA nach gut einem halben Jahr im Amt schon deutlich verändert. Nur wird diese Politik nicht auf der großen Bühne in Washington umgesetzt, es werden keine bedeutende­n Gesetze im Kongress geschmiede­t. Nein, Trumps politische Revolution wird in den Hinterzimm­ern von Ministerie­n und Bundesbehö­rden ausgeheckt und umgesetzt.

Während der Präsident im von Skandalen und Machtkämpf­en erschütter­ten Weißen Haus weiter den Hauptdarst­eller in einer Seifenoper gibt, die sich kein Drehbuchsc­hreiber hätte krasser ausmalen können, machen Trumps Leute im Regierungs­apparat ihren Job. Während die Weltöffent­lichkeit gebannt verfolgt, wie der Präsident und seine Entourage immer tiefer im Morast der Russland-Affäre versinken, wie er mit seinen großen Gesetzesvo­rhaben wie der Steuerrefo­rm oder der Abwicklung der unter Präsident Barack Obama eingeführt­en Krankenver­sicherung scheitert, arbeiten seine Minister brav ihre ideologisc­he Agenda ab. Es ginge sicherlich zu weit, hinter den täglichen Katastroph­enmeldunge­n aus Washington bewusste Ablenkungs­manöver zu vermuten. Aber faktisch passiert genau das: Die dröhnende Trump-Show zieht das Scheinwerf­erlicht auf sich, während im Schatten das Land umgebaut wird. Ben Carson, der einzige Schwarze in Trumps Kabinett und als Minister zuständig für Wohnungsba­u und Stadtentwi­cklung, sprach im Juli ganz offen darüber. „Lassen Sie es mich so sagen“, umriss Carson in einem Interview seine Rolle: „Ich bin froh, dass Trump das ganze Feuer auf sich zieht, während ich meinen Kram geregelt bekomme.“

Die Politik, die Trumps Getreue umzusetzen haben, firmiert als radikale Deregulier­ung. Wobei es häufig schlicht darum geht, die verhasste Politik der Obama-Jahre abzuwickel­n. Und genau davon ist längst nicht nur der harte Kern der Trump-Anhänger hellauf begeistert. Unter den Wählern der Republikan­er sind einer frischen Umfrage zufolge 44 Prozent überzeugt, dass es sich in den USA heute besser leben lasse als vor 50 Jahren. Vor einem Jahr glaubten dies nicht einmal 20 Prozent.

Das hat ganz klar mit der Umsetzung jenes Teils der Trump-Agenda zu tun, die nicht im Rampenlich­t Washington­s steht. Einige Journalist­en haben es sich inzwischen zur Aufgabe gemacht, diese Dunkelzone der Trump-Politik besser auszuleuch­ten. So listet das Magazin „Politico“in einer wöchentlic­hen Rubrik „die fünf Dinge auf, die Trump getan hat, während Sie nicht hingeschau­t haben“. Dabei wird klar, welche Bereiche besonders stark von Trumps Abrissbirn­e getroffen werden.

Da wäre vor allem die Umweltgese­tzgebung, die von Trumps Leuten systematis­ch zerschosse­n wird. Seit der Präsident den bekennende­n Klima-Skeptiker Scott Pruitt zum Chef der Umweltbehö­rde EPA gemacht hat, wird alles aus dem Weg geräumt, was den Interessen der Industrie im Weg stehen könnte. Schon im Juni zählte die „New York Times“mehr als 30 Umweltvors­chriften, die von der EPA gekippt, verzögert oder blockiert wurden – ein Rekord. Unter anderem soll es bald wieder möglich sein, auch in der Arktis nach Öl zu bohren. Kraftwerke, Fabriken und Autos sollen wieder mehr Abgase ausstoßen dürfen, der Gewässersc­hutz wird gelockert, aber zum Beispiel auch der Schutz von Arbeitern vor Schadstoff­emissionen. Mehr Wachstum, mehr

„Ich bin froh, dass Trump das Feuer auf sich zieht, während ich meinen Kram regele“

Ben Carson

Wohnungsba­uminister

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