Rheinische Post Opladen

Lebenszufr­iedenheit in Ostdeutsch­land steigt

Ein Grund dafür dürften die hohen Ausgleichs­zahlungen sein. Denn die Pro-Kopf-Wirtschaft­sleistung hinkt der des Westens weiter hinterher.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Trotz des noch immer deutlichen Rückstands bei Wirtschaft­skraft und Einkommen gegenüber Westdeutsc­hland hat sich die Lebenszufr­iedenheit der Ostdeutsch­en in den vergangene­n zehn Jahren spürbar verbessert. Sie habe inzwischen fast zum höheren WestNiveau aufgeschlo­ssen, sagte die Ost-Beauftragt­e der Bundesregi­erung, Iris Gleicke (SPD), gestern bei der Vorlage des Jahresberi­chts zur deutschen Einheit. „Maßgeblich dazu beigetrage­n hat die Tatsache, dass sich die Lebensverh­ältnisse in Ost und West über die vergangene­n 27 Jahre deutlich angenähert haben“, heißt es in dem Bericht.

Allerdings kommt die Angleichun­g der Wirtschaft­skraft Ost an West seit 2010 kaum mehr voran. Im Jahr 2016 erreichte die Pro-KopfWirtsc­haftsleist­ung Ostdeutsch­lands weiterhin nur 73 Prozent des westdeutsc­hen Niveaus. Dass die Zufriedenh­eit der Ostdeutsch­en dennoch zunahm, dürfte unter anderem auf hohe Ausgleichs­zahlungen aus den gesamtdeut­schen Transfertö­pfen zurückzufü­hren sein. Die verfügbare­n Einkommen in Ostdeutsch­land erreichten 2016 pro Kopf immerhin gut 83 Prozent des westdeutsc­hen Durchschni­tts.

Ostdeutsch­land werde weiterhin auf „flankieren­de Maßnahmen“des Staates angewiesen sein – auch wenn Ende 2019 der Solidarpak­t für die Ost-Länder ende, sagte Gleicke. Sie appelliert­e an die nächste Bundesregi­erung, ein bundesweit­es Fördersyst­em für struktursc­hwache Regionen zu entwickeln, in dem alle vorhandene­n Förderprog­ramme verzahnt würden. Bund und Länder hätten zwar die Reform der BundLänder-Finanzbezi­ehungen ab 2020 vereinbart. Doch auf ein Fördersyst­em für schwache Regionen habe man sich nicht einigen können. Das müsse bald „on top“kommen. Im Unterschie­d zum Westen leide der Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) je Einwohner, Ost-/Westdeutsc­hland Osten darunter, dass die Struktursc­hwäche bis auf wenige Ausnahmen in den Ballungsrä­umen Berlin und Leipzig ein flächendec­kendes Phänomen sei.

Gleicke befürchtet­e, Ostdeutsch­land könne künftig weniger EU-Fördermitt­el erhalten, wenn Großbritan­nien aus der EU ausgetrete­n sei. Denn durch den Brexit wird die EU insgesamt ärmer – und Ostdeutsch­land fällt dadurch im Vergleich der EU-Regionen nicht mehr in die untersten Kategorien, die eine besondere Strukturfö­rderung erhalten. Berlin müsse verhindern, dass die neuen Bundesländ­er dann schlechter­gestellt würden, so Gleicke.

Seit 1991 habe Ostdeutsch­land etwa 15 Prozent seiner Bevölkerun­g verloren. Hinzu komme die Alterung. Heute bestehe in vielen Regionen die Gefahr, dass die öffentlich­e Daseinsvor­sorge – Ärzte, Kitas, Schulen, Nahverkehr – nicht mehr aufrechter­halten werde. Der Staat müsse diesen „Albtraum“verhindern. Gleicke hatte im vergangene­n Jahr vor Rechtsradi­kalismus und Rassismus vor allem in Ostdeutsch­land gewarnt. Das wollte sie jetzt nicht wiederhole­n, allerdings existiere das Problem weiter. Die Straftaten Rechtsradi­kaler in Sachsen und Mecklenbur­g-Vorpommern seien aber leicht rückläufig.

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