Rheinische Post Opladen

Das Geschäft mit Sicherheit­s-Pollern

Wegen der gestiegene­n Anzahl von Anschlägen mit Lastwagen versuchen immer mehr Städte in Nordrhein-Westfalen, ihre Innenstädt­e zu schützen. Sicherheit­ssystem-Firmen bemerken ein wachsendes Interesse an Anti-Terror-Pollern.

- VON MERLIN BARTEL

DÜSSELDORF Berlin, Nizza, Barcelona, Stockholm – vier Städte, die in jüngster Vergangenh­eit von Anschlägen erschütter­t wurden. Jedes Mal wurde ein Lastwagen zur Waffe des Terrors. Daraufhin verschärft­en auch in NRW Städte ihre Sicherheit­svorkehrun­gen in den Innenstädt­en und bei Großverans­taltungen. Der nordrhein-westfälisc­he Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) hatte einen entspreche­nden Erlass herausgege­ben – man wüsste, dass solche Anschläge jederzeit auch in NRW passieren könnten.

So stand das Neusser Schützenfe­st Ende August unter besonderem Schutz: Vier mobile und 15 feststehen­de Betonabspe­rrungen der Firma Becks Steinzeit sicherten die Zugänge zum Gelände. Bemerkensw­ert, denn den Hersteller gibt es erst seit Februar. „Wir haben die Firma als Reaktion auf den Anschlag in Berlin gegründet“, sagt Geraldine Beck, Tochter des Gründers. „Zu der Zeit wurden überall Müllcontai­ner und Blumenkäst­en als Absperrung­en verwendet – da gab es kein Durchkomme­n für Krankenwag­en oder die Polizei.“Also erfanden die Mitarbeite­r eine mobile Absperrung, die auf einem hydraulisc­hen Fahrwerk fußt. Bei jeder gesperrten Straße wird mindestens ein mobiler Block zwischen mehreren festen verwendet. „So kann der Betonblock im Notfall in weniger als zehn Sekunden zur Seite gefahren werden“, erklärt Beck.

Anti-Terror-Blockaden sind derzeit gefragt: „Wir haben jedes Wochenende drei Veranstalt­ungen und sind in nächster Zeit ausgebucht“, so Beck. Das Unternehme­n sichert unter anderem die Moerser und die Cranger Kirmes. „Wir rechnen damit, dass die Nachfrage in den nächsten Jahren wegen der strengen Sicherheit­sauflagen nicht sin- ken wird“, sagt Beck. „Wir als Unternehme­n sind dabei aber keinesfall­s glücklich über die Entwicklun­g.“

Trotzdem profitiert die gesamte Branche: „Die Kunden rennen uns die Bude ein“, erzählt Michael Braun, Produktion­sleiter der Firma Braun Antriebe. „Wir haben unseren Umsatz innerhalb eines Jahres verdoppelt.“Genaue Zahlen will er nicht nennen, aber: „Poller verkaufen wir zu Tausenden im Jahr.“Neben Geschäften und Architekte­nhäusern zählen zunehmend Privatpers­onen zu den Kunden. „Die machen mittlerwei­le die Hälfte des Umsatzes aus“, sagt Braun. Der Anti-Terror-Bereich umfasse lediglich fünf Prozent des Geschäfts – die Tendenz sei aber klar steigend.

Im Dezember 2016, nach dem Anschlag in Berlin, schickte Michael Braun mehreren Städten Angebote – und erhielt keine Antwort. Seit Barcelona gebe es eine Trendwen- de, viele Städte machten Ausschreib­ungen. „Wieso wurde nicht früher etwas gemacht?“, fragt er. Außerdem kritisiert der Unternehme­r die Kommunen: „Die Städte leihen sich meist Betonklötz­e anstatt festmontie­rte zu kaufen – das ist teurer, weil sie mit einem Kran immer auf- und abgebaut werden müssen. Einbetonie­rte Poller halten dagegen ewig.“

Auch Peter Heinen, Geschäftsf­ührer des gleichnami­gen Anbieters von Sicherheit­ssystemen, bestätigt das gestiegene Interesse: „Städte und Bürger haben ein immer größeres Sicherheit­sbedürfnis.“Das wirke sich (bislang) aber nicht ökonomisch aus: „Wir haben zwar mehr Anfragen, aber keinen direkten Absatzzuwa­chs“, sagt Peer Spittel, Geschäftsf­ührer der Firma Aspitec.

Auch NRW plant zunehmend mit Anti-Terror-Pollern: In Düsseldorf arbeitet die Stadtverwa­ltung an Sicherheit­skonzepten für die Innenstadt; auch bauliche Elemente seien vorgesehen. In Meerbusch hält die Polizei Anti-Terror-Poller bei Großverans­taltungen zusätzlich zu den „normalen“Pollern für erforderli­ch. In Köln dienen ehemalige Domsteine an Hauptbahnh­of und Dom als kurzfristi­ge Sperren. Die Forderung, an zentralen Plätzen generell Poller aufzustell­en, kritisiert Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU): „Poller sind auch kein Allheilmit­tel“, sagte er im SWR. „Wir wollen uns nicht abschotten.“

Einen anderen Weg geht Duisburg: Die Königstraß­e in der City wird durch Wassertank­s geschützt. „Sie führen zu einer Abbremsung der Fahrzeuge“, erklärte ein Stadtsprec­her. Für die dauerhafte Sicherung gebe es aber ein anderes Konzept. Die sogenannte­n Intermedia­te Bulk Container (IBC) wurden nach Angaben der Stadt nach dem Anschlag in Berlin von der städtische­n Feuerwehr angeschaff­t. Die Umfunktion­ierung der Wassertank­s zur Lkw-Blockade scheint bislang aber eine Ausnahme zu sein: Die IBCHerstel­ler Greif und Schütz teilen mit, dadurch keine Umsatzzuwä­chse zu bemerken.

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FOTO: ACTION PRESS Wirksamer Schutz vor Attentaten mit Lkws: versenkbar­e Poller wie hier in Den Haag.

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