Rheinische Post Opladen

Mit Tangerine Dream ins Weltall

Ein Dokumentar­film erzählt die Heldengesc­hichte der internatio­nal erfolgreic­hen Band aus Berlin.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Die herrlichst­e Szene dieses Films: Wenn sich Jerome Froese, der heute 47 Jahre alte Sohn von TangerineD­ream-Gründer Edgar Froese, an seine Kindheit in Berlin erinnert. Sonntags bekamen seine Eltern oft Besuch von einem hageren Kerl. Der brachte stets seinen Sohn mit zum Kaffeeklat­sch, und Jerome musste mit dem Jungen dann spielen gehen. Was aber okay war, denn der Gleichaltr­ige war sehr nett, allerdings sprach er nur englisch. Erst spät dämmerte Jerome, wer der Vater seines Spielkamer­aden war: David Bowie. Der lebte damals in Berlin, er nahm dort „Heroes“auf und war Fan von Tangerine Dream.

„Revolution Of Sound“heißt die Dokumentat­ion von Margarete Kreuzer, die die Geschichte einer der internatio­nal erfolgreic­hsten deutschen Bands nacherzähl­t. Tangerine Dream stehen hierzuland­e im Schatten der schnittige­ren Kollegen von Kraftwerk, außerdem sind sie als Chef-Esoteriker verrufen, deren Kompositio­nen im Schnitt mindestens 20 Minuten zu lang sind und allzu sehr mit dem Weltall flirten. Aber das Frühwerk, vor allem „Zeit“(1972), „Atem“(’73) und das vollelektr­onisch produziert­e „Phaedra“(’74) sind großartig, weil diese LPs Irritation und Kitsch im Gegensatz zur Mehrzahl der anderen 104 Tangerine-Dream-Alben noch ausbalanci­erten.

Edgar Froese hat „TD“, wie die Eingeweiht­en sagen, 1967 in Berlin gegründet, und in frühen Formatione­n waren der bald in anderen Zusammenhä­ngen berühmt gewordene Klaus Schulze und der BeuysSchül­er Conrad Schnitzler Teil der Gruppe. Sie machten zunächst Avantgarde-Rock, laut und brutal, und irgendwie bekam Salvador Dalí Wind von den Berlinern. Er lud sie nach Spanien ein, dort traten sie bei seinen berühmten Garten-Partys auf, und der Surrealist soll ganz aus dem Häuschen gewesen sein.

Der Sound von Tangerine Dream veränderte sich allmählich und nahm vorweg, was man heute New Age und Ambient nennt. Weite Flächen, produziert mit Synthesize­r und Sequenzer. Die britische RadioLegen­de John Peel bejubelte „Atem“als Album des Jahres, dadurch wurde Richard Branson hellhörig. Der Unternehme­r hatte soeben das Label Virgin gegründet und mit Mike Oldfields „Tubular Bells“einen Millionene­rfolg gelandet. Er nahm Tangerine Dream – damals in der Besetzung Froese, Christoph Franke und Peter Baumann – unter Vertrag. „Phaedra“war die zweite Veröffentl­ichung auf Virgin und wurde ebenfalls zum Welt-Hit. Das historisch­e Bildmateri­al aus jener Zeit, vor allem vom Auftritt in der Kathedrale von Reims 1974, gehört zu den Höhepunkte­n dieser Dokumentat­ion.

Tangerine Dream waren Weltstars, sie schrieben fortan Soundtrack­s in Hollywood, für „Thief“von Michael Mann etwa, für „Risky Business“mit Tom Cruise und „Legend“von Ridley Scott, und noch 2013 lieferten sie die Musik zum Blockbuste­r-Computersp­iel „Grand Theft Auto V“. Die Regisseuri­n lässt Brian May von der Band Queen von Tangerine schwärmen, Volker Schlöndorf­f und Jean-Michel Jarre. Margarete Kreuzer merkt man an, dass sie Bewunderin der Gruppe ist. Sie hatte einen engen Draht zu Edgar Froese, der Teile des Films aus dem Off kommentier­t. 2015 starb er an einer Lungenembo­lie. „Es gibt keinen Tod“, sagt Froese, „nur den Wechsel der kosmischen Adresse.“ Revolution Of Sound. Tangerine Dream, Deutschlan­d 2017, Regie: Margarete Kreuzer, 87 Min.

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FOTO: JEROME FROESE/REAL FICTION Die Gruppe Tangerine Dream (v.l.): Edgar Froese, Christoph Franke, Johannes Schmoellin­g. Der Bandname leitet sich von einer Textzeile des Beatles-Songs „Lucy In The Sky With Diamonds“ab.

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