Rheinische Post Opladen

Can-Bassist Holger Czukay ist tot

Der 79-Jährige starb in der Nähe von Köln. Seine Band schrieb Musikgesch­ichte.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

KÖLN Als Holger Czukay sich Mitte der 60er Jahre an der Kölner Hochschule für Musik bei Karlheinz Stockhause­n bewarb, sagte er: „Herr Stockhause­n, ich kann gar nichts.“Was er denn werden wolle, fragte Stockhause­n. „Komponist“, entgegnete Czukay. Da durfte er dann bleiben.

Holger Czukay sah sich ein Leben lang als Dilettant, dabei ist sein Werk eine der größten Inspiratio­nsquellen zeitgenöss­ischer Populärmus­ik. 1968 gründete der als Holger Schüring in Danzig geborene Bassist die Band Can – gemeinsam mit Irmin Schmidt, ebenfalls Stockhause­n-Schüler. Can wurde in der Besetzung mit Jaki Liebezeit und Michael Karoli zur einflussre­ichsten deutschen Band nach Kraftwerk. Künstler wie Kanye West und Sonic Youth gehören zu ihren Bewunde- rern. Auf den LPs „Monster Movie“(’69), „Tago Mago“(’71), „Ege Bamyasi“(’72) und „Future Days“(’73) verhalfen sie deutscher Rockmusik zu Selbstbewu­sstsein. Sie wandten sich ab von den amerikanis­chen Gitarrenhe­lden, sie verehrten nicht Jimi Hendrix, sondern Edgar Varèse.

Im eigenen Land blieben sie zeitlebens Avantgarde, am populärste­n waren sie, als sie die Titelmelod­ien zum Durbridge-Krimi „Das Messer“und zum TV-Ereignis „Das Millionens­piel“lieferten. Can entwickelt­en ihre Stücke aus der Improvisat­ion, sie jammten in ihrem Studio in Weilerswis­t, und Holger Czukay war die Seele dieser Gruppe, er bediente das Studio – ein wenig so wie zeitgleich Brian Eno bei Roxy Music. „Nicht wir spielen die Musik, die Musik spielt uns“, sagte er.

1977 verließ Czukay die Band, Can hatten ihre große Zeit da bereits hinter sich. Er arbeitete mit Peter Gabriel und den Eurythmics, und nachdem er Damon Albarn vorgeschla­gen hatte, eine virtuelle Band zu gründen, entwickelt­e der die Gorillaz. Nun wurde der 79-Jährige tot in seiner Wohnung bei Köln aufgefunde­n. Sein schönstes Solostück stammt aus dem Jahr 1979 und heißt „Persian Love“. Wer es sich anhört, mag begreifen, welch großer Komponist da gegangen ist.

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FOTO: IMAGO Holger Czukay.

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