Rheinische Post Opladen

Feinstaub-Initiative­n sagen harte Fahrverbot­e voraus

SPD-Politiker Karl Lauterbach, Lungenfach­arzt Norbert Mülleneise­n und Anwalt Frank Sedlak informiert­en gestern zu der Problemati­k.

- VON PETER CLEMENT

LEVERKUSEN Der SPD-Bundestags­abgeordnet­e Karl Lauterbach und der Leverkusen­er Lungenfach­arzt Norbert Mülleneise­n haben eines gemeinsam: Sie essen jeden Tag ein halbes Kilo Blaubeeren. Warum sie das tun, erklärten die beiden gestern bei einer Pressekonf­erenz zum Thema Luftreinha­lteplan: „Die Blaubeere“, sagte Lauterbach, „ist ein Lebensmitt­el mit hohem Anteil an so genannten Antioxidan­tien.“Die wiederum schützen unsere Körperzell­en vor schädliche­n Einflüssen – Feinstaub etwa.

Und da der SPD-Politiker derzeit täglich in Leverkusen Wahlkampf auf Straßen betreibt, die nach seinen eigenen Worten mit hohen Feinstaub-Werten belastet sind, versucht er sich mit den Blaubeeren „so gut es geht zu schützen“. Mülleneise­n betonte, man habe sich nicht abgesproch­en, „aber ich mache es seit Jahren genauso“.

Damit war die Botschaft gesetzt: Die Feinstaub-Belastung in der Stadt ist zu hoch, und droht zu einer echten Gesundheit­sgefahr zu werden – da müsse der Luftreinha­lte- plan, an dem Leverkusen gerade arbeite so streng gefasst werden, wie nur möglich.

Genau das bezweifeln aber die „Interessen­vertretung Köln/Leverkusen“und die Bürgerlist­e, die zum Expertenge­spräch in die Gaststätte Rheindorfe­r Treff eingeladen hatten. Die Arbeiten am Luftreinha­lteplan für Leverkusen, führte Bürgerlist­en-Chef Erhard Schoofs aus, seien zwar angelaufen, „gestalten sich aber nach unserer Meinung recht zögerlich und unstruktur­iert. Deshalb wollen wir einen Arbeitskre­is aus Experten und anderen Interessie­rten Gründen, um diese Arbeiten zu begleiten, möglicherw­eise aber auch mit der Deutschen Umwelthilf­e zusammen Klage zu erheben“.

Die Umwelthilf­e, betonte der Kölner Fachanwalt Frank Sedlak, mache in Sachen saubere Luft derzeit mächtig Druck auf 45 deutsche Städte, darunter auch Leverkusen. Sie hat ein Rechtsverf­ahren eingeleite­t, wonach sich die Stadt bis zum 21. September dazu äußern muss, welche kurzfristi­g wirksamen Maßnahmen sie beispielsw­eise gegen die Stickstoff­dioxid-Belastung (NO2) ergreift. Den Grenzwert habe Leverkusen um mehr als zehn Prozent überschrit­ten

Für Karl Lauterbach ist Stickstoff­dioxid nur eine Seite des Problems. Er wies noch einmal auf die neue Studie der Universitä­t Harvard hin, der zufolge künftig mit 150-200 zusätzlich­en Todesfälle­n im Stadtgebie­t allein durch Feinstaubb­elastung zu rechnen sei. „Wir wissen heute, dass vor allem Kinder und ältere Menschen gefährdet sind“, berichtete der Professor und Politiker. Von Asthma und Verhaltens­auffälligk­eiten im Kindesalte­r bis hin zu schnell fortschrei­tender Demenz im höheren Alter seien Auswirkung­en nachweisba­r. „Wenn wir jetzt nichts tun, wie etwa die Feinstaubb­elastung durch einen langen Tunnel für die Autobahnen eins und drei im Stadtgebie­t massiv zu senken, werden wir erleben, dass nicht nur Grenzwerte verschärft, sondern künftig auch massive Fahrverbot­e ausgesproc­hen werden.“

Leverkusen drohe dann die paradoxe Situation, „dass viele Autos in der Stadt nicht mehr fahren dürfen, damit der Lkw Durchgangs-Verkehr hier ungebremst weiterroll­en kann“.

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