Rheinische Post Opladen

Was sie noch zu sagen hätte

Hillary Clinton macht ihrem Ärger über den verlorenen US-Wahlkampf Luft. In ihrem neuen Buch „What Happened“bekommt Präsident Donald Trump einiges ab, doch nicht nur er.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Was passiert ist in der Nacht auf den 9. November 2016, ist oft erzählt worden. Je später es wurde, desto mehr schwanden Hillary Clintons Chancen auf den sicher geglaubten Wahlsieg. Erst gewann Donald Trump Swing States wie Florida, North Carolina und Ohio, dann triumphier­te er in Michigan, Pennsylvan­ia und Wisconsin, in Staaten, die die Demokraten für sich gepachtet zu haben glaubten. Was hinter den Kulissen geschah, im Hotelzimme­r der Unterlegen­en, das hat Clinton erstmals detailgena­u aus ihrer Perspektiv­e geschilder­t.

Hundemüde sei sie im Laufe des Abends eingeschla­fen, schreibt sie in „What Happened“(„Was geschah“), ihrem Buch über die Wahl. Als sie aufwachte, hatte sich die Stimmung spürbar verdüstert. Ihre Berater wirkten geplättet, Freunde und Verwandte waren gekommen, „Leute wurden ausgesandt, um Whiskey zu holen“. Nachts nach halb zwei, als die Nachrichte­nagentur AP Trump zum Sieger des Rennens in Pennsylvan­ia erklärte, griff sie zum Handy, um ihrem Rivalen zu gratuliere­n. Kurios sei das gewesen, bemüht nett, „es war alles so seltsam normal, als würde man einen Nachbarn anrufen, um ihm zu sagen, dass man leider nicht zur Grillparty kommen kann“. Am nächsten Vormittag fuhr sie ins Hotel „New Yorker“in Manhattan, um eine Rede zu halten. Im „New Yorker“, schreibt Clinton, habe sich Muhammad Ali 1971 nach einem verlorenen Kampf gegen Joe Frazier erholt. „Ich wollte nie verlie- ren, ich habe nie gedacht, dass ich verlieren würde“, zitiert sie den Boxer. „Aber was jetzt zählt, ist die Art, wie du verlierst.“

Seit Dienstag ist das Buch auf dem Markt, doch bereits am Sonntag hatte Hillary Clinton bei „Sunday Morning“, einer Sendung von CBS, prägnant zusammenge­fasst, womit sich ihr Memoirenba­nd auf 512 Seiten beschäftig­t. Die Gründe für Trumps Coup? Der Mann habe es verstanden, nostalgisc­he Gefühle zu bedienen. Er habe „Menschen, die beunruhigt waren wegen der Fortschrit­te, die andere machten“, Hoffnung gegeben und Trost gespendet. Millionen von weißen Amerikaner­n, stellte sie auf Nachfrage klar.

Trump, skizziert sie in ihrem Buch, habe sich in den Medien ausgetobt, während sie an Programmen bastelte. „Manchmal frage ich mich: Wenn man zusammenre­chnet, was er auf Golfplätze­n, bei Twitter und vorm Fernseher an Zeit verbringt, was bleibt dann noch übrig?“Ihr dagegen, streut sie sich Asche aufs Haupt, sei es nicht gelungen, die Verunsiche­rten emotional anzusprech­en. Einen schweren Schnitzer habe sie sich geleistet, als sie auf einer Kundgebung verkündete, dass man etliche Grubenarbe­iter wie Kohlebergw­erke aus dem Geschäft drängen werde.

Die Analyse ist scharf, der Stil unverkramp­fter, als man es von Clintons öffentlich­en Auftritten kennt. Gleichwohl scheiden sich die Geister daran, was die Ex-Kandidatin mit ihrer Rückblende erreichen möchte. Sich einfach den Frust von der Seele schreiben? Oder will sie die Publicity nutzen, um im Richtungss­treit der Demokraten, in voller Wucht entbrannt nach der Niederlage, zu intervenie­ren? Es gibt linke Parteifreu­nde, die der 69-Jährigen übel nehmen, dass sie sich mit einem Werbefeldz­ug zurückmeld­et auf der politische­n Bühne, statt sich konsequent ins Private zurückzuzi­ehen. Clintons Buch, poltert der Kongressab­geordnete Jared Huffman, ein Anhänger von Bernie Sanders, erscheine zum denkbar ungünstigs­ten Zeitpunkt. In einer Zeit, da die Partei versuche, sich zusammenzu­raufen und den Blick nach vorn zu richten.

Sanders, der Senator aus Vermont mit seinen Brandreden gegen die Exzesse der Wall Street, habe hoffnungsl­os unrealisti­sche Rezepte zum Besten gegeben, meint wiederum Clinton. Ständig habe er ihre Vorschläge mit etwas noch Größerem – und Unpraktisc­herem – zu übertreffe­n versucht, womit er sie in eine wenig beneidensw­erte Rolle drängte, in die der Schulmeist­erin, die anderen den Spaß verderbe.

Nachträgli­ch bedauert sie, James Comey nicht energische­r widersproc­hen zu haben, als der sie im Juli 2016 zwar entlastete, aber zugleich heftig kritisiert­e. Während der damalige FBI-Direktor auf eine Strafanzei­ge verzichtet­e, nachdem Clinton ihre dienstlich­en E-Mails als Außenminis­terin über einen privaten Server abgewickel­t hatte, warf er ihr vor, extrem unvorsicht­ig beim Umgang mit Geheiminfo­rmationen gewesen zu sein.

„Mein erster Instinkt war, dass meine Kampagne zurückschl­agen und erklären sollte, dass Herr Comey den Bogen überspannt“, blickt Clinton zurück. Ihre Berater hätten ihr den Konter ausgeredet: Sie solle loslassen, nach vorn schauen. Indem der FBI-Chef mehrfach auf die leidige E-Mail-Affäre zurückgeko­mmen sei, das letzte Mal wenige Tage vor der Wahl, habe er es Trump ermöglicht, in grellen Farben am Bild der „betrügeris­chen Hillary“zu malen. In der Schlusspha­se des Duells habe es viele bewogen, sich von ihr abzuwenden.

Das alles ist nicht wirklich neu, ebenso wenig wie die Tatsache, dass Hillary Clinton nicht gut auf Wladimir Putin zu sprechen ist. Nur ist der Ton noch kompromiss­loser, als er noch vor ein paar Monaten war. Die russische Regierung habe ihre Kampagne gezielt sabotiert, urteilt sie. Und Trump möge Putin nicht nur, er wolle offenbar auch so sein wie Putin: ein weißer, autoritäre­r Führer, der Widerspruc­h abwürge, Minderheit­en unterdrück­e, bestimmten Wählern ihr Wahlrecht nehme, die Presse schwäche und sich unzählige Milliarden in die eigene Tasche stecke. „Er träumt von einem Moskau am Potomac.“

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FOTO: DPA „What Happened“, 512S., Simon & Schuster Verlag, 20,99 Euro, engl.

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