Rheinische Post Opladen

„Ganz Marseille stand Kopf“

In der ersten Champions-League-Saison 1992/93 gewann Rudi Völler mit dem Klub aus Frankreich­s größter Hafenstadt auf Anhieb den Titel. Für den Sportdirek­tor von Bayer 04 war es der letzte große Erfolg seiner illustren Spielerkar­riere.

- VON SEBASTIAN BERGMANN

LEVERKUSEN Der Kampf um die begehrtest­e Trophäe im europäisch­en Klubfußbal­l hat begonnen: Seit gestern streiten sich wieder 32 Mannschaft­en aus 17 Nationen um den Gewinn der Champions League. Nicht dabei ist das Team von Bayer 04. Erstmals seit 2009 hat der Werksklub die Qualifikat­ion für einen internatio­nalen Wettbewerb komplett verpasst. Für Sportdirek­tor Rudi Völler ist das zwar schmerzhaf­t, aber zugleich ein besonderer Ansporn. „Wir haben alle den Ehrgeiz, es in dieser Saison wieder in den Europapoka­l zu schaffen“, sagt der 57-Jährige. Er warnt davor, die Teilnahme als selbstvers­tändlich anzusehen. „Für Bayer 04 ist es jedes Jahr eine herausrage­nde Leistung, wenn wir uns für den Europapoka­l qualifizie­ren.“

Als aus dem zuvor als Europapoka­l der Landesmeis­ter bekannten Wettbewerb die Champions League entstand, war Völler der erste Deutsche, der den 62 Zentimeter hohen Henkelpoka­l in die Luft recken durfte. Am 26. Mai 1993 gewann der einstige Weltklasse-Stürmer im Alter von 33 Jahren mit Olympique Marseille den Titel. Im Münchner Olympiasta­dion setzten sich die Franzosen mit 1:0 gegen den favorisier­ten AC Mailand durch. Basile Boli erzielte das Siegtor.

„Für mich war es im Spätherbst meiner Karriere ein wunderbare­s Highlight, den berühmten Henkelpott in den Händen zu halten“, sagt Völler. Er war erst vor der Spielzeit vom AS Rom zu den Hafenstädt­ern gewechselt. Der Gewinn des Titels mit Marseille – das als bisher einziger französisc­her Klub ChampionsL­eague-Sieger wurde – bleibt für ihn unvergesse­n. „Wir haben im ganzen Wettbewerb kein Spiel verloren und im Finale eine geschlosse­ne Mannschaft­sleistung geboten.“Angeführt von Libero und Kapitän Franco Baresi spielte beim Gegner aus Mai- land die halbe italienisc­he Nationalma­nnschaft, hinzu kamen die überragend­en Niederländ­er Frank Rijkaard und Marco van Basten. Auf dem Weg ins Endspiel hatten die Italiener nur ein Gegentor kassiert und jedes Spiel gewonnen. „Dass wir es geschafft haben, sie zu besiegen, war für ganz Frankreich ein toller Erfolg“, erinnert sich Völler. „Und so stand auch ganz Marseille Kopf, als wir am nächsten Tag dort ankamen. Die Straßen waren voll und in unserem Stadion haben uns 50.000 Menschen empfangen.“

Der Werkself blieb ein solcher Triumph bislang vergönnt. 2002 unterlag Bayer 04 Rekordtite­lträger Real Madrid im Finale der Champions League in Glasgow nur knapp mit 1:2. Völler war zu dem Zeitpunkt Teamchef der DFB-Auswahl und bereitete es auf die Weltmeiste­rschaft in Asien vor. „Mit einem Teil der Nationalma­nnschaft haben wir uns bereits in der Vorbereitu­ng auf die WM in Japan und Südkorea befunden und ein Trainingsl­ager im Elztal bezogen. Dort haben wir am Abend alle zusammen das Finale vor dem Fernseher verfolgt“, sagt Völler. Als ehemaliger Bayer-Spieler und -Trainer habe er den Leverkusen­ern selbstvers­tändlich die Daumen gedrückt. „Aber auch alle anderen schienen sich einen Sieg der deutschen Mannschaft zu wünschen, die gegen das Starensemb­le von Real eine grandiose Leistung gezeigt hat.“Völler bedauert noch heute, dass am Ende „nicht die bessere Mannschaft das Finale gewonnen hat“.

Sollte sich Leverkusen in absehbarer Zukunft wieder für die Champions League qualifizie­ren, würde das dem Sportdirek­tor auch die eigene Arbeit erleichter­n. Völler: „Für die Vereine bedeutet eine Teilnahme wirtschaft­liche Planungssi­cherheit für die Saison. Und ein regelmäßig­er Gast in der Königsklas­se zu sein, ist durchaus ein Argument für Vertragsve­rhandlunge­n.“

 ?? FOTO: IMAGO (ARCHIV) ?? „Da ist das Ding!“: Rudi Völler reckt den begehrten Henkelpoka­l in Richtung Münchner Nachthimme­l. Im Finale der ersten Auflage der Königsklas­se bezwang Völler 1993 mit Olympique Marseille den AC Mailand mit 1:0.
FOTO: IMAGO (ARCHIV) „Da ist das Ding!“: Rudi Völler reckt den begehrten Henkelpoka­l in Richtung Münchner Nachthimme­l. Im Finale der ersten Auflage der Königsklas­se bezwang Völler 1993 mit Olympique Marseille den AC Mailand mit 1:0.

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