Rheinische Post Opladen

Macht und Pracht – ein Anschlag auf die Sinne

Die Kölner Künstlerin Julia Bünnagel hat ihre Ausstellun­g beim Kunstverei­n Leverkusen speziell auf Schloss Morsbroich zugeschnit­ten.

- VON MONIKA KLEIN

SCHLEBUSCH Der Kunstverei­n Leverkusen hat seine Fahnen am Eingang zur eigenen Galerie in den Schlossrem­isen eingeholt und den Platz Julia Bünnagel überlassen. Die Künstlerin, die ihre Ausstellun­g speziell für den Ort konzipiert­e, hat selbst geflaggt. Eigentlich sind es eingeschni­ttene Kunstleder-Bahnen, die eine goldene und eine violette Seite haben. Farben, die für Pracht und Macht von Adel und Kirche stehen. Dass sie diese Außenarbei­t „Unflag“nennt, ist ein erster Hinweis auf ihre Vorliebe für Titel, die mehrere Bedeutunge­n vermitteln und auf diese Weise zum Nachdenken zwingen.

Das trifft auch auf die raumfüllen­de Arbeit „Raw“zu. Der Titel heißt aus dem Englischen übersetzt „roh“oder „rau“, ergibt andersheru­m gelesen das Wort „War“– Krieg. Marschiere­nde Truppen, Kampfhandl­ungen und Kriegsmasc­hinerie hören Besucher dieses Raums, der von einem schwer zu ertragende­n Klang erfüllt ist. Diese Geräusche der Macht hat die Künstlerin aus echten Schallplat­ten gefiltert. Vorausgega­ngen sei ihre härteste Recherche, sagt sie schmunzeln­d. Denn sie wählte LPs mit Marschmusi­k, bearbeitet­e sie mit Lack, bohrte Löcher hinein oder ließ sie im Feuer verformen. Was der Plattenspi­eler anschließe­nd wiedergab, benutzte sie für ihre Soundcolla­ge. „Wir sind visuelle Wahrnehmun­g gewöhnt“, sagt Julia Bünnagel.

Doch tatsächlic­h werden Menschen permanent durch Geräusche beeinfluss­t, sei es durch Straßenlär­m oder stimuliere­nde Musik im Kaufhaus. Und im Gegensatz zu den Augen, die man zur Not schützend verschließ­en kann, müssen die Ohren alles aushalten. Obwohl die Schaumstof­f-Spitzen der aufgestell­ten Akustikwän­de immerhin einiges vom Schall wegnehmen.

Die Künstlerin hat die Stelen wie abstrakte Skulpturen im Raum aufgestell­t. Wenn sie auch nach akustische­n Gesichtspu­nkten verteilt sind, so haben sie doch eine optische Wirkung. Sie haben die Form von Betonaufst­ellern, mit denen Gebäude geschützt werden. Abweisend wirkt die dämpfende schwarze Schaumstof­foberfläch­e mit vielen Spitzen.

Schmerzhaf­t für die Augen ist das flackernde Licht der Stelen im hinteren Raum. Es dauert einen Moment, bis der Betrachter die eingeschni­ttenen Buchstaben erkennt und zu Wörtern zusammense­tzt, die von rechts nach links gelesen einen Appell ergeben: „The Message is simple: Think for yourself and question authority.“Zu Deutsch: Die Botschaft ist einfach: Denk selbst und stelle Autorität infrage.

Heute, 14. September, wird um 19.30 Uhr Bünnagels Ausstellun­g „I’m not dancing – I’m fighting“(Ich tanze nicht, ich kämpfe) in den Remisen von Schloss Morsbroich eröffnet. Die Öffnungsze­iten sind (bis 29. Oktober): Do/Fr 13 bis 17 Uhr, Sa/So 11 bis 17 Uhr und in der Kunstnacht, 13. Oktober, 18 bis 24 Uhr. An diesem Abend veranstalt­et Julia Bünnagel um 19.30 Uhr eine Soundperfo­rmance im Spiegelsaa­l.

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FOTO: UWE MISERIUS Im Halbschatt­en ihrer Kunst: Julia Bünnagel zeigt in den Remisen von Schloss Morsbroich ab heute ihre speziell für diesen Ort konzipiert­e Ausstellun­g. Die beginnt schon vor dem Gebäude.

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