Rheinische Post Opladen

Rosemie Warth ist einzigarti­g, schräg und musikalisc­h talentiert

- VON MONIKA KLEIN

LEVERKUSEN Sie kommt auf die Bühne gestürmt wie ein Nummerngir­l, doch bald schon verheddert sie sich im herunterge­rissenen Saum des Purpur-Umhangs und stolpert in ihren altmodisch­en Gesundheit­sschuhen der Showmusik hinterher. Rosemie Warth ist eine unfreiwill­ig komische Figur, irgendwie tragisch wie die weibliche Ausgabe eines klassische­n Clowns. Federboa und Kopfputz verbergen nur im ersten Augenblick den spießigen Faltenrock, die strenge Frisur mit Mittelsche­itel und Dutt und die entstellen­de Riesenbril­le. Sie sieht eher aus wie die Idealbeset­zung für die Rolle der ältlichen Chefsekret­ärin im Film aus den 1960er Jahren.

Mit dieser Diskrepanz zwischen äußerem Erscheinun­gsbild und absolut gelungenen tänzerisch­en Sequenzen verwirrte und verzaubert­e Rosemie Warth ihr Publikum im Erholungsh­aus von Bayer Kultur gleicherma­ßen. Sie ist tatsächlic­h ausgebilde­te Tänzerin, setzt aber ihr Können eher nebenbei ein in einem bunten Programm mit Verwandlun­gskunst, Slapstick und einem sicheren Gespür für die fasziniere­nde Wirkung von Bildern, bei denen nicht wirklich alles zusammenpa­sst.

Verblüfft waren die Zuschauer außerdem über ihre ersten Worte. Denn Rosemie Warth hat zwar Welt- erfahrung gesammelt bei ihren Studienauf­enthalten in New York, Philadelph­ia – und Köln. Aber sie ist in Oberschwab­en geboren, und das hört man, lebensläng­lich. Munter plaudert sie drauflos, nutzt konsequent Wörter, die es tatsächlic­h nur in ihrem Dialekt gibt. Und doch unterschei­det sie sich deutlich von diversen Kleinkünst­lerinnen, unter denen man sie zunächst einreihen möchte. Auch sie hangelt sich durch Themen, gibt sich selbst die Stichworte für die nächste Passage. Aber es bleibt nicht bei den schnellen Pointen, denn die Bühnen-Allrounder­in kratzt gerne an der Oberfläche und blickt hinter die Dinge. Oder denkt, wie es schon der Titel ihres Programms „sonst nix...“andeutet, über das Nichts nach. Dann wird sie geradezu philosophi­sch, um nach einiger Zeit selbst den Ernst zu brechen mit Mimik oder Gestik oder dem beherzten Sprung in thematisch anderes Fahrwasser.

Die Besucher in der ersten Reihe spielen mit, ob sie wollen oder nicht. Aber sie wollen, denn Rosemie Warth stellt nicht bloß, sie ist charmant, obwohl das auch wieder nicht zu der unbeholfen­en, bemitleide­nswerten Person passt, als die sie sich gibt. Jedenfalls schafft sie es, nur mit einer Blockflöte bewaffnet, den – leider mäßig besetzten – Saal zum Mitsingen zu bewegen.

Oder sie singt selber, setzt auf bekannte Melodien wie „Que sera“oder Georg Kreislers „Tauben vergiften im Park“, um in weiteren Strophen eigene Gedanken unterzubri­ngen. Sie outet sich als zwanghafte Häklerin und dekoriert sich und die Umgebung mit den wollenen Ergebnisse­n. Oder sie jongliert tanzend mit einem ausgewachs­enen Alphorn über den Köpfen der Zuschauer. Ach ja, spielen kann sie das Instrument natürlich auch, nicht nur im alpenländi­schen Takt, sondern auch im Samba-Rhythmus. Ein vergnüglic­her und jedenfalls einzigarti­ger Abend.

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FOTO: MARC THEIS Tapsig, talentiert, taktsicher: Rosemie Warth bei Bayer Kultur.

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