Rosemie Warth ist einzigartig, schräg und musikalisch talentiert
LEVERKUSEN Sie kommt auf die Bühne gestürmt wie ein Nummerngirl, doch bald schon verheddert sie sich im heruntergerissenen Saum des Purpur-Umhangs und stolpert in ihren altmodischen Gesundheitsschuhen der Showmusik hinterher. Rosemie Warth ist eine unfreiwillig komische Figur, irgendwie tragisch wie die weibliche Ausgabe eines klassischen Clowns. Federboa und Kopfputz verbergen nur im ersten Augenblick den spießigen Faltenrock, die strenge Frisur mit Mittelscheitel und Dutt und die entstellende Riesenbrille. Sie sieht eher aus wie die Idealbesetzung für die Rolle der ältlichen Chefsekretärin im Film aus den 1960er Jahren.
Mit dieser Diskrepanz zwischen äußerem Erscheinungsbild und absolut gelungenen tänzerischen Sequenzen verwirrte und verzauberte Rosemie Warth ihr Publikum im Erholungshaus von Bayer Kultur gleichermaßen. Sie ist tatsächlich ausgebildete Tänzerin, setzt aber ihr Können eher nebenbei ein in einem bunten Programm mit Verwandlungskunst, Slapstick und einem sicheren Gespür für die faszinierende Wirkung von Bildern, bei denen nicht wirklich alles zusammenpasst.
Verblüfft waren die Zuschauer außerdem über ihre ersten Worte. Denn Rosemie Warth hat zwar Welt- erfahrung gesammelt bei ihren Studienaufenthalten in New York, Philadelphia – und Köln. Aber sie ist in Oberschwaben geboren, und das hört man, lebenslänglich. Munter plaudert sie drauflos, nutzt konsequent Wörter, die es tatsächlich nur in ihrem Dialekt gibt. Und doch unterscheidet sie sich deutlich von diversen Kleinkünstlerinnen, unter denen man sie zunächst einreihen möchte. Auch sie hangelt sich durch Themen, gibt sich selbst die Stichworte für die nächste Passage. Aber es bleibt nicht bei den schnellen Pointen, denn die Bühnen-Allrounderin kratzt gerne an der Oberfläche und blickt hinter die Dinge. Oder denkt, wie es schon der Titel ihres Programms „sonst nix...“andeutet, über das Nichts nach. Dann wird sie geradezu philosophisch, um nach einiger Zeit selbst den Ernst zu brechen mit Mimik oder Gestik oder dem beherzten Sprung in thematisch anderes Fahrwasser.
Die Besucher in der ersten Reihe spielen mit, ob sie wollen oder nicht. Aber sie wollen, denn Rosemie Warth stellt nicht bloß, sie ist charmant, obwohl das auch wieder nicht zu der unbeholfenen, bemitleidenswerten Person passt, als die sie sich gibt. Jedenfalls schafft sie es, nur mit einer Blockflöte bewaffnet, den – leider mäßig besetzten – Saal zum Mitsingen zu bewegen.
Oder sie singt selber, setzt auf bekannte Melodien wie „Que sera“oder Georg Kreislers „Tauben vergiften im Park“, um in weiteren Strophen eigene Gedanken unterzubringen. Sie outet sich als zwanghafte Häklerin und dekoriert sich und die Umgebung mit den wollenen Ergebnissen. Oder sie jongliert tanzend mit einem ausgewachsenen Alphorn über den Köpfen der Zuschauer. Ach ja, spielen kann sie das Instrument natürlich auch, nicht nur im alpenländischen Takt, sondern auch im Samba-Rhythmus. Ein vergnüglicher und jedenfalls einzigartiger Abend.