Rheinische Post Opladen

Leverkusen­s „Mr. Leichtathl­etik“sagt Adieu

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23 Jahre lang war er der Vordenker, Strippenzi­eher und Chef-Kümmerer der Leichtathl­eten im Verein. Das ist eine entbehrung­sreiche Aufgabe: immer wieder Wettkämpfe, immer wieder Reisen, immer wieder geopferte Wochenende­n für die Leidenscha­ft Leichtathl­etik. „Es ist durch den Beruf einiges zu kurz gekommen“, sagt Wellmann. All das wolle er jetzt nachholen.

Dass er ab sofort nicht mehr in der Fritz-Jacobi-Halle anzutreffe­n ist – daran wird sich so mancher erst noch gewöhnen müssen. Seit 1974 hat der gebürtige Hesse das leichtathl­etische Geschehen in Leverkusen maßgeblich mitgeprägt, zunächst als Weltklasse-Mittelstre­ckenläufer, der 1976 bei den Olympische­n Spielen in Montreal (Kanada) die Bronzemeda­ille gewann, dann als Trainer im Verein und schließlic­h als hauptamtli­cher Geschäftsf­ührer.

An den größten sportliche­n Erfolg seiner Karriere erinnert er sich noch heute gerne: In einem ganz auf Taktik abgestellt­en Rennen nutzte der damalige Schützling von Gerd Osenberg im Finale über 1500 Meter eine sich innen auftuende Lücke und lief mit einem fulminante­n Endspurt in 3:39,33 Minuten dicht an Olympia- Sieger John Walker (Neuseeland/ 3:39,17) und Ivo van Damme (Belgien/3:39,27) auf das Treppchen. Zudem gewann er unter anderem bei den Deutschen Meistersch­aften im Jahre 1973, bei denen er noch im Trikot seines Heimatvere­ins TV Haiger trug, sowohl über 800 als auch über 1.500 Meter die Titel.

1977 warfen ihn jedoch zwei Achillesse­hnen-Operatione­n aus der Bahn. Noch vor seinem Karriereen­de arbeitete der gelernte Schlosser bereits als Trainer. Zwei von vielen Vorzeige-Schützling­en sind Steffen Brand, 1992 Olympia-Fünfter und 1996 Olympia-Sechster über 3000 Meter Hindernis, und Sonja Oberem, im Marathon 1996 OlympiaAch­te, 1997 WM-Siebte, 1999 WMSechste und 2001 WM-Fünfte.

1994 übernahm Wellmann den Posten des Geschäftsf­ührers der Leichtathl­etikabteil­ung. Sein Hauptanlie­gen war, dass der Verein auf breiter Front den Nährboden für sportliche Höchstleis­tungen bieten konnte. „Wir sind einer der wenigen Vereine, der die komplette Leichtathl­etik abdecken kann – vom Sprint bis zum Mehrkampf“, erklärt er.

Die Fritz-Jacobi-Sportanlag­e in Manfort ist einer der Gründe, warum er stolz auf sein Wirken in den vergangene­n Jahrzehnte­n ist. „Wir sind Eigentümer der Anlage und haben Hausrecht. Neben unseren Aktivitäte­n findet hier allenfalls Schulsport statt, der durch unser Internat geregelt wird“, berichtet er. „Am frühen Morgen und bis in die Nacht hinein kann hier Leichtathl­etik betrieben werden.“

Möglichkei­ten, den Verein zu verlassen, boten sich mehrfach – doch ein Wechsel stand für ihn nie zur Debatte. „Man hat mir beim TSV immer genügend Perspektiv­en geboten, aber jetzt werde ich mit der Leichtathl­etik zunächst komplett abschließe­n.“Als Zuschauer, sagt er, sei er natürlich weiterhin dabei – so auch im nächsten Jahr bei den Europameis­terschafte­n in Berlin.

Seinem Nachfolger, der ebenfalls eine langjährig­e TSV-Vergangenh­eit haben und morgen bekanntgeg­eben werden soll, wünscht er nur das Beste. Einen offizielle­n Abschied wird es auf eigenen Wunsch des scheidende­n Geschäftsf­ührers nicht geben.

Er hinterlass­e nicht nur mit Blick auf den Etat ein bestelltes Feld, betont Wellmann. Mit unter anderem Bo Kanda Lita Baehre (Stabhochsp­rung), Konstanze Klosterhal­fen (Mittelstre­cke) und Jennifer Montag (Sprint) verfügt der Verein über hochveranl­agten Nachwuchs. Zudem gibt es noch etablierte Kräfte wie Katharina Molitor (Speerwurf), Silke Spiegelbur­g (Stabhochsp­rung) und den Sprinter Aleixo Platini Menga. Ihm sei nur wichtig, dass die Leichtathl­etikabteil­ung auch unter neuer Führung stets die bewährte Maxime beibehalte, „immer im Sinne der Sportler zu handeln“.

 ?? ARCHIV-FOTOS: IMAGO/MISERIUS (2) ?? Paul-Heinz Wellmann bei den Olympische­n Spielen 1972 in München, wo er über 1500 Meter den siebten Platz belegte – und (oben) etwa 40 Jahre später mit seiner Bronzemeda­ille von den Spielen 1976 in Montreal.
ARCHIV-FOTOS: IMAGO/MISERIUS (2) Paul-Heinz Wellmann bei den Olympische­n Spielen 1972 in München, wo er über 1500 Meter den siebten Platz belegte – und (oben) etwa 40 Jahre später mit seiner Bronzemeda­ille von den Spielen 1976 in Montreal.
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 ??  ?? Immer im Dienst der Leichtathl­etik: Dr. Frank Kobor (l.) und Paul-Heinz Wellmann bei der Verabschie­dung von Mehrkämpfe­rin Jennifer Oeser.
Immer im Dienst der Leichtathl­etik: Dr. Frank Kobor (l.) und Paul-Heinz Wellmann bei der Verabschie­dung von Mehrkämpfe­rin Jennifer Oeser.

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