Wahlkampf mit Tunnelblick
LEVERKUSEN Wer morgen zur Wahlurne geht, kann viele Perspektiven haben. Er schaut von oben auf das gesamte Land und macht sich ein Bild. Er sieht blühende Landschaften oder Elendsquartiere, je nach Perspektive. Oder er schaut in die Zukunft und bekommt womöglich Angst vor Flüchtlingsströmen, Atomkriegen und Umweltkatastrophen. Er könnte auch auf seinem Gehaltszettel auf den Nettobetrag und die Steuerabzüge schauen. Oder er geht zur Wahl und hat einen Tunnelblick. In einen Tunnel, den es noch gar nicht gibt.
Dass die Diskussion um den Ausbau der Autobahn 1 und die neue Rheinbrücke zum beherrschenden Wahlkampfthema in Leverkusen wurde, dafür hat der SPDAbgeordnete und Kandidat Karl Lauterbach gleich zum Auftakt gesorgt. Der TV-bekannte Medizinprofessor mit roter Fliege begann den Wahlkampf mit einer politischen Pirouette und schüttelte dabei die bisherige Position der Leverkusener Genossen ab: Statt der geforderten kleinen Tunnellösung setzte sich Lauterbach fortan für einen langen Tunnel unter dem Rhein mit kleiner Brücke ein. Diese sogenannte „Kombilösung“vertraten bis dahin nur Leverkusener Initiativen. Der Gesundheitspolitiker begründete seien Schritt mit medizinischen Argumenten und zog dazu eine Harvard-Studie aus dem Ärmel, die die höchst schädliche Wirkung von FeinstaubEmissionen belegt. Lauterbach, der selbst in Harvard lehrt, vollzog damit geschickt eine Verquickung von Gesundheits- und Verkehrspolitik. Wichtiger noch: Er hatte ein zündendes lokales Wahlkampf-Thema gefunden, mit dem er sich womöglich vom flügellahmen Zustand der eigenen Bundespartei und deren Spitzenkandidaten Martin Schulz absetzen könnte. Die beiden