„Es wird in nächster Zeit ein bisschen wehtun müssen“
Die SPD-Fraktionschefin über Fehler im Wahlkampf, die Zukunft von Martin Schulz und warum sie keine Abkehr von der Agenda-Politik will.
Frau Nahles, welchen Ton wollen Sie als SPD-Fraktionschefin im Bundestag anschlagen?
NAHLES Ich bin für eine harte Auseinandersetzung. Wir werden die Regierung kritisch herausfordern. Ich war jetzt vier Jahre Arbeitsministerin. Die Oppositionsrolle ist eine andere. Wir werden hart in der Sache, aber fair um Umgang sein.
Was hätten Sie gesagt, wenn Herr Gauland gesagt hätte, jetzt kriegen Sie „in die Fresse“?
NAHLES Das käme auf den Kontext an. Und wenn Sie auf meine Bemerkung anspielen: Die war ein Scherz, über den auch die Unionskollegen gelacht haben, weil sie mich kennen. Kein Grund, sich zu empören.
Wie muss sich die SPD aufstellen?
NAHLES Wir haben die schwerste Wahlniederlage seit 1949 erfahren. Wir können jetzt nicht sagen, das Programm war gut, der Kandidat hat gekämpft, der Wähler hat’s nur nicht verstanden. 82 Prozent der Bürger halten unser Thema soziale Gerechtigkeit für zentral, das Wahlergebnis spiegelt das jedoch nicht. Auch haben wir für einzelne Forderungen wie der nach einer Stabilisierung des Rentenniveaus oder der Auflösung der Teilzeitfalle hohe Zustimmung bekommen. Vieles stand aber isoliert nebeneinander, es war unklar, wohin wir eigentlich mit diesem Land und Europa wollen. Wir müssen also stärker an dem Gesamtbild arbeiten und weniger an je- dem einzelnen Puzzleteil.
Würde eine Abkehr von der Agenda 2010 helfen?
NAHLES Die meisten Jusos wissen doch schon gar nicht mehr, was das eigentlich war. Ich halte nichts von diesem Blick in die Vergangenheit. Wir haben in den letzten Jahren viel bewegt und wir haben einen gut funktionierenden Sozialstaat, aber wir müssen darüber reden, wie er in der Zukunft aussehen soll.
Am Sonntag wird in Niedersachsen gewählt. Wie wichtig ist das Ergebnis für Ihre Partei?
NAHLES Ich bin fest überzeugt, dass es in Niedersachsen so gut laufen wird wie bei der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz, wo wir mit einer fulminanten Aufholjagd am Ende die CDU geschlagen haben. Stephan Weil ist ein großartiger Ministerpräsident und wird es auch bleiben. Das ist gut für Niedersachsen, aber auch gut für die SPD. Doch es ist auch klar: Keine der wichtigen Hausaufgaben, die wir als SPD im Bund machen müssen, wird sich nach der Wahl in Niedersachsen auflösen. Auch mit einem guten Ergebnis und Freude über Niedersachsen wird es in der nächsten Zeit ein bisschen wehtun müssen.
Ist das Ergebnis für Martin Schulz’ Zukunft als Parteichef entscheidend?
NAHLES Nein, Martin Schulz ist und bleibt Parteivorsitzender. Auch über den Parteitag im Dezember hinaus.
Hubertus Heil will nicht erneut als Generalsekretär kandidieren. Wünschen Sie sich eine Frau als Nachfolgerin?
NAHLES Diese Frage entscheide ich nicht, und ich diskutiere darüber auch nicht öffentlich. JAN DREBES UND RENA LEHMANN FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.