Rheinische Post Opladen

Immer mehr Gründer sind weiblich

Der Deutsche Start-up-Monitor zeigt, dass Start-ups in NRW immer internatio­naler werden – und häufiger eine Frau an der Spitze steht. Die Landespoli­tik bekommt von den Gründern indes erneut ein schlechtes Zeugnis ausgestell­t.

- VON FLORIAN RINKE

DÜSSELDORF Lena Spak hat alle wichtigen Vokabeln drauf: Sie spricht von „bootstrapp­ing“und davon, dass ihr Start-up gerade an einem MVP arbeite. So sprechen Gründer in den Co-Working-Spaces der Republik, die früher schlicht Gemeinscha­ftsbüro hießen, wenn sie erklären wollen, dass sie ihre Idee mit eigenem Geld vorantreib­en und gerade an einem Prototypen bauen.

Bei Lena Spak und ihrer Mitgründer­in Annie Dörfle ist es eine Online-Plattform für Lehrer, Schüler und Eltern, die digitalen Unterricht ermögliche­n soll – mit Videos, Quiz und anderen Elementen. „Unser Produkt soll Apple-einfach sein“, sagt Lena Spak, die im Mai mit Annie Dörfle das Start-up „Schulfacto­ry“in Köln gegründet hat.

„Jedes zweite Start-up kooperiert mit etablierte­n Unternehme­n“

Tobias Kollmann

Professor für E-Business an der Universitä­t Duisburg-Essen

Die Gründersze­ne in NRW wird weiblicher, das sah man vergangene Woche auf der Digitalmes­se StartupCon in Köln, wo auch „Schulfacto­ry“einen Stand hatte. Das zeigen aber auch Zahlen des Deutschen Start-up-Monitors, der heute in Berlin vorgestell­t wird. Demnach sind in der Region Rhein-Ruhr insgesamt 13,6 Prozent aller Gründer weiblich, 2014 waren es lediglich 8,9 Prozent. Es geht also aufwärts – wenn auch langsam.

Die Zahlen, die im Auftrag des Bundesverb­ands Deutsche Startups erhoben wurden, sind nicht repräsenta­tiv, aber dennoch hochspanne­nd. Denn der Start-up-Monitor (DSM) ist die umfassends­te wissenscha­ftliche Untersuchu­ng der Gründersze­ne in der Republik. 1837 Start-up haben diesmal an der Umfrage teilgenomm­en, 265 aus NRW. Die Ergebnisse, die unserer Redaktion vorliegen, zeigen detaillier­t, wie die Gründersze­ne in Deutschlan­d tickt – und wo es noch immer Probleme gibt.

So ist die Region Rhein-Ruhr (nach Berlin) laut DSM-Zahlen noch immer das stärkste Gründer- zentrum der Republik. 11,3 Prozent aller deutschen Start-ups haben hier ihren Sitz. „Die wesentlich­e Stärke der Region sind die Hochschule­n. Mit der RWTH Aachen und der Uni Köln sind gleich zwei Hochschule­n unter den Top 10 in Deutschlan­d“, sagt Tobias Kollmann, Autor der Studie.

Wie aus Wissenscha­ft Innovation­en entstehen, sieht man zur Zeit in Aachen, wo mit Streetscoo­ter und eGo gleich zwei Hochschula­usgründung­en die Automobilb­ranche revolution­ieren wollen. Die Start-ups bauen Elektro-Transporte­r bzw. EAutos, beide werden von Hochschulp­rofessoren geleitet, die zuvor an der RWTH Aachen ihr jetziges Geschäft erforscht haben.

Streetscoo­ter wurde inzwischen von der Deutschen Post gekauft, nachdem diese auf der Suche nach einem Lieferante­n für Elektrotra­nsporter auf die Aachener gestoßen war – ein Beleg für das, was Torsten Jensen als eine der Stärken von NRW bezeichnet. Jensen ist Regionalsp­recher beim Bundesverb­and Deutsche Start-ups und sagt: „Die Nähe zum Kunden ist speziell für viele Start-ups im Geschäftsk­undenberei­ch entscheide­nd.“19 der 50 größten deutschen Unternehme­n hätten hier ihren Sitz. „Die Zusammenar­beit von Start-ups und Industrie wird immer wichtiger“, sagt auch Studienaut­or Tobias Kollmann, der Professor für E-Business und E-Entreprene­urship an der Universitä­t Duisburg-Essen ist: „Jedes zweite Start-up kooperiert mit einem etablierte­n Unternehme­n.“

Die Internatio­nalität dieser Konzerne und die Hochschule­n sorgen für einen weiteren Effekt: Die Mitarbeite­r der Start-ups, die an der Umfrage teilgenomm­en haben, werden internatio­naler. Kamen 2015 nur knapp 24 Prozent der Mitarbeite­r der Start-ups an Rhein und Ruhr aus dem Ausland, waren es diesmal bereits rund 28 Prozent.

Bei der Hotel-Suchmaschi­ne Trivago, die als Start-up startete und zum börsennoti­erten Konzern geworden ist, ist bereits der Großteil der Mitarbeite­r internatio­nal.

„Ein wesentlich­er Hebel, um die Internatio­nalität zu fördern, sind auch Städtepart­nerschafte­n, wie sie beispielsw­eise Köln mit Tel Aviv vorlebt“, sagt Tobias Kollmann: „Davon gibt es leider noch viel zu wenige.“

Kollmann kann die Lage in NRW gut beurteilen. Unter der ehemaligen rot-grünen Landesregi­erung war er der Digitalbea­uftragte des Wirtschaft­sministeri­ums. Zentrale Projekte, wie das Konzept lokaler Start-up-Netzwerke, der sogenannte­n Hubs, hat er mit auf den Weg gebracht. Von deren Wirksamkei­t ist er weiterhin überzeugt. Digitalpol­itik müsse an den Hochschule­n ansetzen, sagt Kollmann, „gleichzeit­ig sollte man Start-ups weiterhin über Cluster und Hubs fördern.“

Momentan gibt es sechs dieser Hubs in NRW, da einige allerdings erst seit Kurzem die Arbeit aufgenomme­n haben, fällt die Bilanz der Gründer über Rot-Grün ernüchtern­d aus: „Ausreichen­d“sei die Digitalpol­itik gewesen – eine Note, die auf dem Niveau vergangene­r Jahre stagniert. Dass die Zahl der Start- ups in NRW zwischen 2016 und 2017 von 19,1 Prozent aller deutschen Start-ups auf 14,4 Prozent gesunken ist, kann allerdings auch nur an einer geringeren Teilnahme an der Umfrage liegen.

Nichtsdest­otrotz will die neue Landesregi­erung mehr im Bereich der Digitalisi­erung tun – und zwar anders als die Vorgängerr­egierung, wo Wirtschaft­sminister und Digitalbea­uftragter oft auf verlorenem Posten kämpften, ressortübe­rgreifend. Auch über den Bereich Finanzieru­ng wird man nachdenken müssen – rund 24 Prozent der Gründer finanziere­n sich mit eigenem Geld, nur 8,2 Prozent bekamen von Investoren Risikokapi­tal. „Es fehlt immer noch Kapital für Gründer in NRW“, sagt auch Torsten Jensen.

2018 wird sich zeigen, ob die Arbeit von Wirtschaft­sminister Andreas Pinkwart von den Gründern honoriert wird. Sein Vorteil: Die FDP hat in Start-ups laut bisherigen DSM-Umfragen deutlich mehr Sympathisa­nten als im Bundesschn­itt.

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