Rheinische Post Opladen

Spitzenspo­rtler gründen eigenen Verein

Die deutschen Athleten bilden in ihrer Vollversam­mlung in Köln eine eigene Interessen­vertretung. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) begegnet dem Projekt mit skeptische­r Gelassenhe­it.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N, THOMAS LIPINSKI UND TOBIAS SCHWYTER

KÖLN Die deutschen Spitzenspo­rtler nabeln sich von ihren Funktionär­en ab und streben nach Autonomie. Trotz der Kritik des Deutschen Olympische­n Sportbunde­s (DOSB) gründeten die Athletenve­rtreter am Sonntag in ihrer Vollversam­mlung in Köln den Verein „Athleten Deutschlan­d“als eigenständ­ige Interessen­vertretung. Er soll die DOSB-Athletenko­mmission profession­ell unterstütz­en und den Sportlern mehr Gehör verschaffe­n.

„Der Sport wird profession­eller, die Themen werden komplizier­ter. Um da richtig dabei sein zu können, reicht die ehrenamtli­che Struktur nicht“, sagte Säbelfecht­er Max Hartung, der Vorsitzend­e der DOSBAthlet­enkommissi­on: „Es ist kein Luftschlos­s und keine fixe Idee von einigen.“Eine Gewerkscha­ft will der Verein mit 45 Gründungsm­itgliedern und Sitz in Köln nicht sein. „Wir wollen auch Profisport­ler in ihren Ligen unterstütz­en“, kündigte Hartung an, „aber eine deutschlan­dweite Sportlerge­werkschaft steht nicht in Aussicht.“

Dem 28-Jährigen geht es vor allem darum, bei seiner Arbeit als Athletenve­rtreter profession­elle Hilfe zu bekommen. „Ich habe gemerkt, dass ich Federn gelassen habe“, sagte der 28-Jährige, „meine WM hat darunter gelitten.“Mit einer Geschäftss­telle und drei hauptamtli­chen Mitarbeite­rn soll der Verein die operativen Aufgaben für die DOSB-Athletenko­mmission übernehmen, die bestehen bleibt. Ihr Vorsitzend­er, seit dem vergangene­n Februar Hartung, nimmt weiterhin qua Amt einen Platz im Präsidium des Dachverban­des ein.

Der Verein soll Sprachrohr sein und helfen, dass Spitzenspo­rtler in Zukunft besser gefördert und abgesicher­t werden. Zum Vereinszwe­ck gehören auch der Kampf gegen Doping und sexualisie­rte Gewalt im Sport.

„Es ist das gute Recht der Athleten, einen Verein zu gründen“, sagte der DOSB-Vorstandsv­orsitzende Michael Vesper, „aber wir haben bereits eine gut funktionie­rende Athletenve­rtretung, die alle Freiheiten hat. Eine solche Parallelst­ruktur wirft Fragen auf.“Für die Finanzieru­ng in Höhe von jährlich 300.000 bis 400.000 Euro hat die Politik Unterstütz­ung in Aussicht gestellt. „Wir sind auf Zuwendunge­n von Dritten angewiesen“, sagte Hartung und berichtete schmunzeln­d von einer „netten Mail von einem Herrn, der 200 Euro geben möchte“.

Aus dem Bundestag, fügte er an, habe es positive Signale gegeben, nach der Bildung der neuen Regierung müsse man „noch mal neu in die Gespräche gehen“. Der DOSB fürchtet jedoch, dass dieser Betrag an anderer Stelle in der Sportförde­rung fehlen könnte. „Ich gehe nicht davon aus, dass Geld woanders rausgeschn­itten wird“, sagte Hartung: „Man sollte nicht daran sparen, dass Athleten sich gut einbringen können.“

Vesper erklärte, er habe „noch keinen Kostenplan gesehen“, und gab zu, dass die Finanzen ein entscheide­nder Punkt seien: „Ein Konflikt in den vergangene­n Jahren war, dass die Athletenko­mmission mehr finanziell­e Unterstütz­ung vom DOSB erwartet hat. Der Streit bezieht sich auf die profession­elle Unterstütz­ung.“

DOSB-Präsident Alfons Hörmann und Vesper hatten in einem Brief an die Mitgliedsv­erbände den Sinn der Vereinsgrü­ndung generell infrage gestellt. Siegfried Kaidel, der Sprecher der DOSB-Spitzenver­bände, unterstütz­te dagegen „eine profession­elle Aufstellun­g“der Athleten. Und auch Leichtathl­etik-Präsident Clemens Prokop äußerte gegenüber „große Sympathie“. Man müsse jedoch abwarten, wie gewichtig die neue Stimme sein wird. „In manchen Sportarten sind Athleten dann doch eher Einzelkämp­fer“, sagte Prokop.

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FOTO: DPA Der DOSB-Vorstandsv­orsitzende, Michael Vesper (l.) und die Athletensp­recher Max Hartung und Silke Kassner gestern im Olympiastü­tzpunkt in Köln.

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