Rheinische Post Opladen

Patient terrorisie­rt monatelang Zahnarztpr­axis

- VON SIEGFRIED GRASS

Körperlich­e Attacken, Böller im Flur – als die Ärztin die Praxis verlässt, greift ein 33-Jähriger zu rüden Mitteln.

LEVERKUSEN Nicht nur für die Mitarbeite­r einer Zahnarztpr­axis in Wiesdorf, sondern auch für die Mitbewohne­r im Haus und viele Patienten waren das extrem belastende Monate von Oktober 2015 bis März 2017. Ein 33-jähriger Leverkusen­er sitzt seit gestern auf der Anklageban­k des Kölner Landgerich­ts. Er muss sich verantwort­en für genau 80 Straftaten, die die Staatsanwä­ltin akribisch vortrug – Taten gegen die Zahnarztpr­axis.

Dabei hat das alles einen kuriosen Anfang genommen und lässt sich letztlich nur durch eine drogenindu­zierte Psychose erklären. Der Angeklagte war seit 2013 ein „ganz normaler Patient“, allerdings mit einem hohen Behandlung­sbedarf. Damit war weitgehend eine Ärztin beschäftig­t. Dann aber verließ die Medizineri­n die Praxis, was der Patient nicht verstehen wollte. Er wollte unbedingt die neue Adresse wissen. Aus Datenschut­zgründen wurde ihm das verwehrt.

Was zur Folge hatte, dass aus dem Patienten im wahrsten Sinne des Wortes ein Stalker wurde, eine Person, die alle in der Praxis in permanente Ängste versetzte. Die insgesamt 80 zur Anzeige gebrachten Belästigun­gen, Bedrohunge­n, Sachbeschä­digungen, Hausfriede­nsbrüche bis letztlich zur Körperverl­etzung führten schließlic­h dazu, dass der Angeklagte endlich ab März diesen Jahres in eine geschlosse­ne forensisch­e Abteilung kam. Eine Verurteilu­ng durch das Leverkusen­er Amtsgerich­ts 2016, wonach er sich der Praxis nicht mehr nähern durfte, hatte er einfach ignoriert.

Er warf nicht nur Böller in die Praxisräum­e, sondern auch auf den Balkon und in den Hausflur, verstreute Müll im Hof und beschmiert­e Klingel, Briefkäste­n und Hauswände, zerstach einer Mitarbeite­rin einen Autoreifen und spuckte einer Zahnarztas­sistentin auf der Straße direkt ins Auge. Ein Augenarzt stellte später eine Bindehaute­ntzündung fest.

Weil die Damen der Praxis sich nie sicher sein konnten, wo sich der Stalker gerade aufhielt, unternahme­n sie jeden Gang zu zweit. Auf dem Nachhausew­eg fuhr sie mitunter der Praxischef persönlich zur Bushaltest­ellte. Für alle, so berichtete­n sie gestern als Zeugen im Gerichtssa­al, wurde das zu einer unerträgli­chen Belastung.

In den nächsten Gerichtsit­zungen werden Zeugen gehört, die nicht nur die Taten bestätigen, sondern auch das Leben des Beschuldig­ten beleuchten sollen, der im Jahr 2001 mit seinen Eltern aus Kasachstan nach Deutschlan­d kam. Vor allem muss geklärt werden, welchen Einfluss Drogen auf ihn hatten.

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