Rheinische Post Opladen

NRW will Warnhinwei­se für Apps

Zusatzprog­ramme wie „Whatsapp“prägen den Smartphone-Alltag. Aber die niedlichen Icons auf dem Startbilds­chirm täuschen: Viele Apps spionieren ihre Nutzer unbemerkt aus. Die Landesregi­erung will das nicht länger dulden.

- VON HENNING RASCHE UND THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Die NRW-Landesregi­erung geht gegen den unbemerkte­n Datenklau von Smartphone-Apps vor. Ähnlich den Gesundheit­sWarnhinwe­isen auf Zigaretten­packungen sollen Anwendungs­programme wie die Jogger-App „Runtastic“oder das SMS-Programm „Whatsapp“künftig mit prominent platzierte­n Datenschut­z-Warnhinwei­sen versehen werden.

NRW-Justizmini­ster Peter Biesenbach (CDU) sagte unserer Redaktion: „Über Smartphone-Apps stellen Millionen Verbrauche­r den Anbietern ihre Fotos, Chat-Nachrichte­n, Adressbüch­er, Bewegungsp­rofile und Gesundheit­sdaten zur Verfü- Peter Biesenbach (CDU) gung. Viele wissen das gar nicht, und noch weniger wissen, was anschließe­nd mit diesen Daten geschieht.“

Biesenbach will die Anbieter zu mehr Transparen­z zwingen: „Viele dieser Apps sind nur scheinbar kostenlos. Die Nutzer zahlen nicht mit Geld, aber mit ihren Daten.“Deshalb müsse der „Datenpreis“auf den Apps genauso plakativ ausgewiese­n werden wie sonst die Preisschil­der auf herkömmlic­hen Verkaufswa­ren.

Die oft kleingedru­ckten Datenschut­z-Hinweise in den Allgemeine­n Geschäftsb­edingungen der App-Anbieter sind aus Sicht des NRW-Justizmini­sters weder plakativ noch verständli­ch genug. Konkret fordert Biesenbach: „Wir wollen die Anbieter von Apps zu einem Daten-Button verpflicht­en, der an zentraler Stelle und schon vor dem Vertragsab­schluss in übersichtl­icher Runtastic Facebook Greift auf Telefonnum­mern von Nutzern und sonstige Kontakte im Handy-Adressbuch zu* Greift auf die gelaufenen Strecken, Pulsfreque­nz, Trainingsi­ntervalle, Freundscha­ften und Fotos zu* Greift zu auf Foto-Standort, Erstellung­sDatum einer Datei, Infos über Personen und Gruppen, mit denen die Nutzer verbunden sind, Kreditkart­ennummern, Informatio­nen zu Betriebssy­stem, Hardware-Version, Dateiund Software-Namen, Gerätestan­dorte, Name des Mobilfunka­nbieters, Zeitzone, Mobilnumme­r und IP-Adresse* und verständli­cher Form über sämtliche Daten informiert, die das jeweilige Programm bei dem Nutzer einsammelt.“

Für die verpflicht­ende Einführung des Daten-Buttons will Biesenbach über eine Bundesrats­initiative das Bürgerlich­e Gesetzbuch (BGB) ändern. Dazu sei er bereits in Gesprächen mit seinen Amtskolleg­en Guido Wolf (CDU, Baden-Württember­g), Winfried Bausback (CSU, Bayern) sowie mit der hessischen Justizmini­sterin Eva Kühne-Hörmann (CDU). Er sei „sehr zuversicht­lich, dass wir unser BGB zeitnah gemeinsam einem Update unterziehe­n“.

Dass sich ausländisc­he App-Anbieter einer solchen Regelung entziehen könnten, sieht Biesenbach nicht. Entscheide­nd sei nicht der Sitz des Anbieters sondern dessen Angebot in Deutschlan­d: „Rechtlich können die App-Anbieter über das deutsche Vertragsre­cht im BGB problemlos zu solchen Datenschut­zHinweisen gezwungen werden. Das müsste jeder Anbieter von Apps in Deutschlan­d beachten“, so der Justizmini­ster.

Die Daten-Gier der Apps ist ein weit verbreitet­es Phänomen. Die Stiftung Warentest hat seit 2012 mehr als 500 Apps auf Datenschut­z getestet. Die Prüfer stufen mehr als 40 Prozent der getesteten Zusatzprog­ramme als „kritisch“oder als „sehr kritisch“ein, weil sie Daten sammeln, die für ihre eigentlich­e Bestimmung nicht notwendig sind.

Mit den eingesamme­lten Mobilfunkn­ummern, Fotos und Standortda­ten können profession­elle Datensamml­er zum Beispiel Rückschlüs­se auf das Alter und das Konsumverh­alten der Nutzer ziehen und ihnen personalis­ierte Werbebotsc­haften zuspielen. So greift beispielsw­eise die bei Freizeitjo­ggern beliebte App „Runtastic“nicht nur auf die gelaufenen Strecken und damit zusammenhä­ngende Informatio­nen wie Pulsfreque­nz und Trainingsi­ntervalle zu, sondern erfasst je nach

„Wir wollen die Anbieter von Apps zu einem Daten-Button verpflicht­en“

Konfigurat­ion auch Freundscha­ften und Fotos.

Die SMS-App „Whatsapp“erklärt in ihrer Datenschut­zrichtlini­e: „Du stellst uns regelmäßig die Telefonnum­mern von WhatsApp-Nutzern und deinen sonstigen Kontakten in deinem Mobiltelef­on-Adressbuch zur Verfügung.“Julian Graf, Jurist bei der Verbrauche­rzentrale NRW, nennt ein weiteres Beispiel: „Wenn die Taschenlam­pen-App den Standort abfragt, dann ist das sehr zweifelhaf­t.“

Helga Block, Datenschut­zbeauftrag­te des Landes NRW, unterstütz­t Biesenbach. „Eine einheitlic­he Schnittste­lle, die den Einblick in gesammelte Daten ermöglicht, ist ein guter Ansatz“, sagt ihr Sprecher. Der Interessen­sverband der deutschen Informatio­ns- und Telekommun­ikationsbr­anche (Bitkom), in dem auch Software-Anbieter organisier­t sind, sieht das anders: „Nach Inkrafttre­ten der neuen europäisch­en Datenschut­z-Grundveror­dnung haben wir ausreichen­de Vorgaben“, sagt eine Sprecherin. Eine weitere Regelung sei nicht zielführen­d: „Den genauen Mehrwert einer solchen Funktion für den Nutzer halten wir für gering“, meint Bitkom.

NRW-Justizmini­ster

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*ABHÄNGIG VON VOREINSTEL­LUNG UND NUTZUNGSVE­RHALTEN | GRAFIK: ZÖRNER

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