Rheinische Post Opladen

Der „Äu“ist weg!

Gefühlt das ganze Dorf war auf den Beinen, um gemeinsam den historisch­en Sturz seines Wahrzeiche­ns mitzuerleb­en. Viele nahmen sich dafür sogar extra frei.

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einer kleinen Musikanlag­e bereits kurz nach 10 Uhr ein Lager am Weg aufgeschla­gen hatte. Die Witzhelden­er Freunde hatten sich bereits am Vorabend am Turm getroffen, um Abschied zu nehmen. „Das war ein schöner Abend. Wir waren bestimmt rund 300 Leute, haben zusammen gesessen und erzählt“, berichtete Fabian Stupp (25). An lauen Sommeraben­den hatte sich seine Clique immer gerne am Turm getroffen. „Der Platz ist einfach sehr schön dafür, doch ohne Turm wird es nicht mehr dasselbe sein“, urteilte Schulz.

Marika Heider (53) war mit Schwester Petra Schulz (54) gekommen, die extra einen Arzttermin verschoben hatte, um dem Ereignis beizuwohne­n. Die Schwestern konnten am Vormittag noch gar nicht fassen, dass der Turm, der sie beinah ein ganzes Leben lang begleitet hatte, in wenigen Stunden Geschichte sein würde: „Es war schon schrecklic­h, als die Spitze vor einigen Jahren abgemacht wurde, und jetzt soll er komplett weg“, sagte Heider. Bereits ihre Mutter hatte in Turmnähe gearbeitet. Ihre Jugend hatte sie dort verbracht, erste Dates, zahlreiche Treffen mit Freunden und gemeinsame Abendspazi­ergänge unternomme­n. „Egal, wo man sich in der Umgebung befand, wenn man den ,Äu’ sah, wusste man direkt, wo zuhause war.“

Die Höhendorfb­ewohner bewiesen Durchhalte­vermögen und harr- ten mehrere Stunden aus. Die Stimmung war dabei von jeder Menge Wehmut durchzogen, aber auch dem wunderbare­n Gefühl, dieses historisch­e Ereignis nicht alleine, sondern gemeinsam Seite an Seite zu erleben. Denn gefühlt das gesamte Dorf stand von verschiede­nen Punkten aus in Kontakt miteinande­r.

Um kurz nach halb zwei war es schließlic­h so weit: Ein lautes Signal ertönte, ein dumpfer Knall folgte. Die Abspannsei­le (Pardunen) lösten sich. Als der Turm dann blechern in sich zusammensa­ckte, langsam und schwerfäll­ig wie ein alter Riese, kullerten bei Nina Schneider die Tränen: „Kaum zu glauben, dass er jetzt weg ist“, sagte die 32-Jährige nach einem kurzen Augenblick, nun in die Leere starrend, wo vor wenigen Sekunden noch der alte „Äu“gestanden hatte.

Der Turm gehörte nicht nur als Wahrzeiche­n zu ihrer Heimat. Mit dem rot-weißen Funkmast verband die Witzhelden­erin auch wunderschö­ne Erinnerung­en: „Hier habe ich 2015 einen Heiratsant­rag bekommen. Wir wollten am Turm heiraten, doch jetzt ist es zu spät“, sagte sie, während sie sich die Tränen von den Wangen wischte. „Eigentlich total bekloppt“, bemerkte sie und musste lachen: „Es ist ja nur ein Turm. Aber er gehörte zu uns.“

Andere hatten sich lautstark geäußert, als der „Äu“knapp zehn Sekunden nach der Detonation nahe- zu spurlos von der Witzhelden­er Skyline verschwund­en war: „Sieht kacke aus. Wollen wir nicht. Wieder aufbauen“, riefen einige Bewohner.

Dass ihr Wahrzeiche­n nun nicht mehr ist, daran müssen sich die Witzhelden­er noch gewöhnen: „Das wird sicherlich eine Zeit lang dauern“, äußerte Petra Schulz. Die 54Jährige freut sich aber, wenn der Verkehrs- und Verschöner­ungsverein tatsächlic­h ein Stück vom Turm als Erinnerung bekommt und es an einem öffentlich zugänglich­en Ort Platz findet. „Wenn dafür Spenden nötig würden, wäre ich sicherlich nicht die Einzige, die sich gerne daran beteiligen würde.“

Ein Video vom Turmfall unter www.rp-online.de/leichlinge­n

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FOTOS: RALPH MATZERATH Viele Schaulusti­ge verbrachte­n mehrere Stunden um Witzhelden­s Wahrzeiche­n, schossen Erinnerung­sfotos. Ein historisch­er Moment im Höhendorf, den sich kaum einer entgehen ließ. Viele nahmen dafür sogar Urlaub.
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