Rheinische Post Opladen

Berührende Totenklage am Synagogenp­latz

Rund 300 Religionsv­ertreter, Politiker, Schüler und Bürger gedachten den Ereignisse­n der Pogromnach­t 1938.

- VON LUDMILLA HAUSER

OPLADEN Vielleicht war das der Moment, der am tiefsten berührte: Ein junger Mann steht am Mikrofon und singt eine Totenklage. Seine Stimme ist unerwartet tief und sonor und brennt sich in Ohr und Seele gleicherma­ßen. Was er da in dieser melodiösen, fremden Sprache ganz genau singt, spielt im Grunde keine Rolle.

Auch wenn ein, zwei der rund 300 Teilnehmer der Gedenkstun­de am Platz der Synagoge (Altstadtst­raße/Ecke Lessingstr­aße) leise tuscheln: „Es wäre auch schön gewe- sen, wenn ein deutscher Text dazu verteilt worden wäre.“Der junge Mann, der die Totenklage so eindrückli­ch gesungen hat, wie das Klezmer-Ensemble der Musikschul­e melancholi­sche Stücke beitrug, ist Benjamin Deutsch, ein Vertreter der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf.

Mit ihm und Oberbürger­meister Uwe Richrath standen unter anderem Lev Ismikhanov (Verein Davidstern), Pfarrer Ulrich Sander (katholisch­e Kirche), Superinten­dent Gerd-René Lörken, Pfarrerin Dagmar Jetter (evangelisc­he Kirche)und Ismalj Memishi vom Rat der Islami- schen Gemeinscha­ften ganz vorne. Gemeinsam legten sie Kränze zum Gedenken an die Opfer der Pogromnach­t am 9. November 1938 und des Holocausts nieder.

Just an der Stelle stand bis zu jener Nacht die Opladener Synagoge, die „verwüstet, geplündert und schließlic­h in Schutt und Asche gelegt“wurde, wie Richrath erinnerte. „Hatten 1933 im heutigen Leverkusen­er Stadtgebie­t noch 130 Menschen jüdischen Glaubens gelebt, gab es bei Kriegsende 1945 nur noch eine Jüdin hier in der Stadt, die sich mit der Hilfe von Nachbarn hatte verstecken können“, berichtete er in seiner Rede, die auch einen Übergang fand zu dem Thema, über das anschließe­nd in deutlichen Texten junge Menschen referierte­n.

Schüler der Montanus-Realschule und des Landrat-Lucas-Gymnasiums hatten sich mit „Erziehung und Schule im Nationalso­zialismus“beschäftig­t und zeichneten in klaren Worten nach, wie Kinder zur geltenden politische­n Denke von damals erzogen wurden, wie es zum Ausschluss der jüdischen Mitschüler und letztlich der jüdischen Bevölkerun­g kam. Zeitzeugen ließen die Schüler durch ihre Texte ebenso zu Wort kommen wie es ihnen auch ge- lang, den Bogen ins Hier und Jetzt zu schlagen, hin zum respektvol­len Umgang mit Flüchtling­en, aber ebenfalls untereinan­der, betonten die Lucas-Schüler. Ihr Appell: „Nicht vergessen, Elitenbild­ung vermeiden, Exklusion vermeiden, Solidaritä­t und Werte wie ,Die würde des Menschen ist unantastba­r’ leben.“Eine Realschüle­rin betonte: „Dass es heute ein Schulgeset­z gibt, das ist keine Selbstvers­tändlichke­it.“Dass die Stadt an jedem 9. November der Pogromnach­t erinnert, lobten die Jugendlich­en: „Diese Erinnerung­skultur soll uns wachsam machen.“

 ?? FOTO: UWE MISERIUS ?? Benjamin Deutsch von der Synagogeng­emeinde Düsseldorf sang während der Gedenkstun­de mit rund 300 Teilnehmer­n die jüdische Totenklage „El male rachamin“.
FOTO: UWE MISERIUS Benjamin Deutsch von der Synagogeng­emeinde Düsseldorf sang während der Gedenkstun­de mit rund 300 Teilnehmer­n die jüdische Totenklage „El male rachamin“.

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