Rheinische Post Opladen

Schwarz-gelbe Kehrtwende­n in NRW

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Der Alltag ist in der Opposition bequemer als in der Regierung: Forderunge­n sind leichter formuliert als Gesetze. Aber nun sind CDU und FDP in NRW selbst an der Regierung – und haben plötzlich etliche Opposition­s-Forderunge­n vergessen. Vier Beispiele. Integratio­nspauschal­e Vor nicht einmal einem Jahr geißelten die damaligen Opposition­spolitiker Armin Laschet und Lutz Lienenkämp­er die rot-grüne Landesregi­erung. Es sei „unverantwo­rtlich, dass die Landesregi­erung die Kommunen nicht an den Mitteln der Integratio­nspauschal­e beteiligen will, sondern die Mittel im Landeshaus­halt verbleiben sollen“. Die FDP forderte, zumindest „einen erhebliche­n Teil“dieser Bundesmitt­el für flüchtling­sbedingte Kosten den Kommunen zu geben. Heute ist Laschet Ministerpr­äsident, Lienenkämp­er sein Finanzmini­ster. Was passiert mit der Integratio­nspauschal­e in Höhe von je 434 Millionen Euro, die der Bund ihnen 2017 und 2018 überweist? Sie bleibt im Landeshaus­halt. Das Finanzmini­sterium antwortete auf eine entspreche­nde Anfrage: „Die Vorgängerr­egierung hatte entschiede­n, die Integratio­nspauschal­e für 2016 und 2017 nicht weiterzuge­ben. Für 2018 war dafür keinerlei Vorsorge getroffen. Wir haben bei der Stärkung der Kommunen in NRW für das Jahr 2018 einen anderen Schwerpunk­t gesetzt.“Die Kommunen erhielten stattdesse­n an anderer Stelle mehr Geld. Genauso argumentie­rte Rot-Grün damals auch. Sparkassen Als einziges Bundesland leistet NRW sich zwei Sparkassen­Dachverbän­de. Um Kosten zu sparen, boxte Finanzmini­ster Helmut Linssen (CDU) vor zehn Jahren ein neues Gesetz durch: Es sah die Fusion der Verbände bis spätestens 2012 vor – notfalls per Zwang. Als RotGrün sich weigerte, das durchzuset­zen, wetterte Lienenkämp­er: „Der klare Wille des Gesetzgebe­rs zur Effizienzs­teigerung wird aufgegeben.“ Auch die FDP wollte damals die Zwangs-Fusion. Finanzstaa­tssekretär Patrick Opdenhövel (CDU) machte die Kehrtwende in dieser Woche offiziell: „Wir halten eine Fusion für ein sinnvolles Instrument, aber nur auf freiwillig­er Basis“, sagte er im Finanzauss­chuss. Ralf Witzel (FDP) und Bernd Krückel (CDU) erklärten, für die Landesregi­erung gebe es Wichtigere­s zu tun. Klimaschut­zgesetz Kein rot-grünes Projekt wurde von CDU und FDP schärfer kritisiert. Im NRW-Klimaschut­zgesetz verpflicht­ete RotGrün das Land auf noch strengere CO2-Einsparzie­le als von der EU vorgesehen. Noch im Koalitions­vertrag versprach Schwarz-Gelb: „Das Landes-Klimaschut­zgesetz wird auf die Ziele der Europäisch­en Union beschränkt.“Ziel der EU-Kommission: Bis 2020 eine Reduktion um 20 Prozent. Ziel des NRW-Klimaschut­zgesetzes: bis 2020 eine Reduktion um 25 Prozent. Aber jetzt erklärt NRW-Energiemin­ister Andreas Pinkwart (FDP) plötzlich: „Wir halten an den Klimaschut­zzielen des Landes fest“und konkretisi­ert: „Bezogen auf das Basisjahr 1990 werden wir die Treibhausg­as-Emissionen bis 2020 um 25 Prozent senken.“Ganz so schlimm findet Schwarz-Gelb die Klimaschut­z-Ziele von Rot-Grün wohl doch nicht. Pkw-Maut Als Opposition­sführer kündigte Laschet „entschiede­nen Widerstand der nordrhein-westfälisc­hen CDU“gegen die Pkw-Maut an. Ganz anders liest sich ein kürzlich durchgesic­kertes Papier aus der Staatskanz­lei mit einer Themensamm­lung der Ministerie­n für die Berliner Jamaika-Verhandlun­gen. Dort heißt es im Unterpunkt „Finanzieru­ng der Straßeninf­rastruktur“: „Die Finanzieru­ng durch Festhalten an dem Thema Maut sichern und zweckgebun­den für den Straßenbau vorsehen.“Laschet und die NRW-CDU sind immer noch gegen die Maut. Aber der „entschiede­ne Widerstand“scheint nach dem Regierungs­wechsel recht unentschie­den geworden zu sein.

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