Rheinische Post Opladen

Jugendlich­e lassen Schicksale aus dem Holocaust lebendig werden

- VON MONIKA KLEIN

QUETTINGEN 73 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs wird es schwierig, Holocaust-Zeitzeugen zu finden. „Was machen wir eigentlich, wenn es keine mehr gibt?“, haben sich die Organisato­ren im Vorbereitu­ngskreis für den Gedenkaben­d am 9. November gefragt, erzählte Pfarrer Ferdinand Hackländer in seiner Begrüßung. Bisher war jedes Mal ein Interviewp­artner in der Evangelisc­hen Kirche Quettingen dabei. Dort finden seit 23 Jahren Gedenkvera­nstaltunge­n am Tag der Reichspogr­omnacht statt, vorbereite­t von Schülern des Landrat-LucasGymna­siums unter der Leitung von Klemens Büsch.

Die übernahmen nun erstmals die Rolle von „Zweitzeuge­n“, die aus dem dunkelsten Kapitel des Lebens von Juden berichtete­n, die verfolgt und inhaftiert wurden, Familie und Freunde verloren und unendliche­s Leid erfuhren. So stand auch dieses Jahr ein persönlich­es Schicksal im Mittelpunk­t: das der 93-jährigen Ellisheva Lehman, die in Jerusalem lebt. Die Gäste des Abends sahen nur ein aktuelles Foto von ihr, während Lucas-Schülerinn­en als „Zweitzeuge­n“ihre Geschichte vortrugen.

Sie sind alle um die 17 Jahre und damit genauso alt wie Elli, als sie sich unsterblic­h in Berni verliebte. Schon nach einem halben Jahr wurde das Glück jäh beendet, als die Nazis in Holland einmarschi­erten, wo Elli und Berni lebten. Für beide begann ein Verstecksp­iel, das nur Elli überlebte. Beim Abschied hatten sie sich versproche­n, Tagebuch zu schreiben und sich an der Bank wiederzutr­effen, auf der sie sich zum ersten Mal geküsst hatten.

Berni kam nicht wieder, nur seine zwei Tagebücher erhielt Elli durch Boten. Erst nach 60 Jahren habe sie den Mut gehabt, das zweite zu lesen, bekannte Ellisheva Lehman, die sich tatsächlic­h ein zweites Mal verlieben konnte. Mit Elmar wanderte sie nach Palästina aus und sagt, dass sie ein glückliche­s Leben hatte. Al- lerdings empfindet sie so etwas wie Schuld, dass sie die Shoah überlebt hat und Berni nicht.

Den Schülerinn­en war die Geschichte von Ellisheva Lehman sehr nahe gegangen, das merkte man während der Vorträge. Sie hatten sich in einem Workshop intensiv damit beschäftig­t und Briefe an die Holocaust-Überlebend­e geschriebe­n, von denen einige vorgelesen wurden.

Den Kontakt hatte Vanessa Eisenhardt hergestell­t. Sie ist als Historiker­in und glühende „Zweitzeugi­n“für den Verein „Heimatsuch­er“unterwegs, um die Einzelschi­cksale der Holocaust-Überlebend­en an junge Menschen weiterzuge­ben, die ihrerseits die Erinnerung wachhalten sollen. Und um sie zu stärken gegen jegliche Art von Rassismus und Fremdenfei­ndlichkeit.

Die Betroffenh­eit wurde – auch das hat Tradition – durch die passende, sehr emotionale Musik der osteuropäi­schen Juden verstärkt. Unter der Leitung von Jürgen Ohrem sorgte das Klezmer-Ensemble „5th Generation“der Musikschul­e für Gänsehaut und animierte die Zuhörer zum Schluss in den „Dona Dona“-Refrain einzustimm­en.

Den Schülerinn­en war die Geschichte von Elli Lehman sehr nahe gegangen, das merkte man beim Gedenken

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