Rheinische Post Opladen

Digitale Hetzjagd

Der neue „Wilsberg“-Fall im ZDF beleuchtet die Nachteile der sozialen Medien.

- VON CARSTEN LINNHOFF

MÜNSTER (dpa) Es geschah im März 2012 in Emden: Nach dem Tod der elfjährige­n Lena stand ein 17-Jähriger für viele voreilig als Täter fest. Die Polizei hatte den jungen Mann zum Verhör gebracht. Von der Festnahme kursierten Videos im Internet. Er stand unter dringendem Tatverdach­t. Wie sich später herausstel­lte, war er unschuldig. Doch die Stimmung war längst in Hass umgeschlag­en. Ein Mob belagerte die Polizeiwac­he und rief zur Lynch-Justiz auf. Die Polizei sollte den perversen Kindermörd­er herausgebe­n. Die Jagd auf ihn hatte begonnen.

Eine Steilvorla­ge für jeden Krimiautor­en. Wer also im 55. Fall für den ZDF-Ermittler Georg Wilsberg ungläubig dem Geschehen in Münster folgt, findet in Emden eine reale Vorlage. Ja, eine Hetzjagd über das Internet ist möglich und keine billige Fiktion. Allerdings verschenkt das Team um die Drehbuchau­toren Sandra Lüpkes und Jürgen Kehrer sowie Regisseur Dominic Müller eine große Chance. Die Folge „Wilsberg: Straße der Tränen“kommt als pädagogisc­her Weltverbes­serer daher und insgesamt ein wenig hölzern.

Dabei fängt der Krimi spannend an. Wilsberg-Freund Ekki (Oliver Korittke) nimmt in der Nacht eine Anhalterin mit. Als die junge Frau anschließe­nd verschwind­et, gerät der Finanzbeam­te in Verdacht. Er stellt sich der Polizei und gerät dabei ins Visier des Internet-Mobs. Es folgt die klassische Polizeiarb­eit durch Kommissari­n Anna Springer (Rita Russek), die der digitalen Hetzjagd vermeintli­ch ständig hinterherh­inkt. Ihr Assisstent Overbeck (Roland Jankowsky) schwingt sich auf der Suche nach dem verschwund­enen Kind als der große Digitalver­steher auf und blamiert sich dabei – wie gewohnt – bis auf die Knochen.

Die Geschichte um den Konflikt zwischen Offline- und Online-Welt verkommt dabei allerdings unnötig zum Mahnstück. Kein Fan der sozialen Netzwerke wie Facebook, Twitter und Co. braucht den erhobenen Zeigefinge­r von Kommissari­n Springer, wenn es um voreilige Verurteilu­ngen geht. Die Geschichte hätte mit etwas mehr Spannung und besseren Dialogen zwischen den Hauptdarst­ellern Leonard Lansink, Oliver Korittke, Ina Paule Klink und Rita Russek nach dem Vorbild aus Emden großes Potenzial. Auch

 ?? FOTO: ZDF ?? Die ehemalige Profilerin Hiltrud Appeldorn (Nina Petri) hat vor Jahren von dem Serienmörd­er, der nun erneut ein Mädchen entführt hat, ein Täterprofi­l erstellt. Wilsberg (Leonard Lansink) hofft auf ihre Unterstütz­ung.
FOTO: ZDF Die ehemalige Profilerin Hiltrud Appeldorn (Nina Petri) hat vor Jahren von dem Serienmörd­er, der nun erneut ein Mädchen entführt hat, ein Täterprofi­l erstellt. Wilsberg (Leonard Lansink) hofft auf ihre Unterstütz­ung.

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