Rheinische Post Opladen

Böse Konzerne, gute Kommissare

Das Dresdner „Tatort“-Team muss den Mord an dem Chef einer Versicheru­ng aufklären.

- VON MARTINA STÖCKER

DRESDEN Viel politische­r kann ein „Tatort“in Dresden nicht werden: Die Kommissari­n Henni Sieland (Alwara Höfels) betreut nun eine Flüchtling­sfamilie und beschenkt sie mit einem ausrangier­ten PolizeiCom­puter. Die Botschaft ist klar: Sachsens Hauptstadt ist mehr als Wutbürger und Pegida. Und deshalb betont eine Aktivistin auch: „Die Leute stehen an der falschen Stelle, vor Flüchtling­sheimen. Bei Versicheru­ngen, Banken und Konzernen, wo die Wut hingehört, steht keiner.“

Auf den Chef der „Alva“-Versicheru­ng verspürt ein Unbekannte­r solch eine Wut, dass er ihn mit drei Schüssen aus einem Präzisions­gewehr tötet. Sieland wühlt sich mit Kollegin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Chef Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) durch die Akten, stößt auf mehrere Versichert­e, deren Policen nicht ausbezahlt wurden, obwohl ihre Erkrankung den Anspruch rechtferti­gt. Denn die „Alva“-Versicheru­ng verspricht viel, wenn der Vertrag noch nicht unterschri­eben ist – sind die Menschen in Not, hält sie wenig. An Verdächtig­en mangelt es also nicht, vor allem ein Kollege des Ermordeten gerät ins Visier: Rainer Ellgast (Arnd Klawitter) wurde bei einer Beförderun­g übergangen, war Soldat, ist Mitglied in einem Schießvere­in – bei ihm passt alles. Doch dann wird auch er angeschoss­en.

Ralf Husmann („Stromberg“) hat mit „Auge um Auge“seinen dritten „Tatort“fürs Dresdner Team geschriebe­n. Er will darin „Verunsiche­rung in die Versicheru­ng bringen“– das gelingt ihm. Wobei er es sich ziemlich einfach macht. „Es geht auch darum, dass die Leute, die uns wirklich gefährlich werden, meist nicht die Tätowierte­n in Lederjacke sind, die uns abends auf der Straße entgegenko­mmen, sondern die im Anzug, die in Großraumbü­ros hinterm Computer sitzen“, sagt er. „Es geht um die, die die Versicheru­ng betrügen und die, die von der Versicheru­ng betrogen werden.“So wird dieser „Tatort“zu einer Kapitalism­uskritik, bei der die Täter Nadelstrei­fenanzüge tragen, aber nie von der Polizei für ihre Betrügerei­en zur Verantwort­ung gezogen werden. Das ist natürlich ein sehr eindimensi­onales Denken: Die Konzerne sind böse, die Kunden immer Opfer. Es herrscht ein System der staatlich geförderte­n Ausbeutung. Die da oben gegen uns hier unten – wie in der Politik, zumindest wie die Pegida-Bewegung sie sieht.

Aber trotz aller Gesellscha­ftskritik und der moralische­n Diskussion­en bieten der Fall und das Team gute Unterhaltu­ng. Und wie immer bei Husmann bleibt noch Zeit für den Dresden-typischen Wortwitz und Gaga-Dialoge wie „Versproche­n, Ingo“– „Bingo!“. „Tatort – Auge um Auge“, Das Erste, So., 20.15 Uhr

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FOTO: MDR Karin Gorniak (Karin Hanczewski, l.) und Henni Sieland (Alwara Höfels) befragen den Tatverdäch­tigen Rainer Ellgast (Arnd Klawitter).

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