Rheinische Post Opladen

Frank Fincks sieht mit seinen Händen

Der Leverkusen­er ist fast blind. Seiner Arbeit als Heilprakti­ker, der Osteopathi­e anbietet, komme das entgegen, sagt er.

- VON MONIKA KLEIN

BERGISCH NEUKIRCHEN „Ich sehe eine Blockade“, sagt Frank Fincks, während er mit den Fingerspit­zen das Rückgrat seiner Patientin abtastet. Er setzt hinzu: „Sehen kann ich, nur nicht gucken.“Fincks ist annähernd blind, seine Restsehkra­ft liegt bei drei Prozent. Also hat er gelernt, mit den Fingern wahrzunehm­en, was seine Augen nicht sehen. Bei der Behandlung empfindet er sein Handicap durchaus als Vorteil gegenüber sehenden Kollegen, die es viel schwerer haben, die ständige Überflutun­g von optischen Reizen auszublend­en, um sich ganz auf den Körper zu konzentrie­ren. „Man kann viel besser sortieren“, sagt er. Er hat bereits einige Jahre Erfahrung als Physiother­apeut in drei Praxen gesammelt, berufsbegl­eitend eine Ausbildung zum Heilprakti­ker gemacht und anschließe­nd Osteopathi­e draufgesat­telt.

Ende August startete er seine Praxis für Osteopathi­e in Bergisch Neukirchen. Vergangene Woche feierte er offiziell Eröffnung, und mittlerwei­le ist der Terminkale­nder für die nächsten zwei Wochen gefüllt. Heilprakti­ker darf er sich nennen und seine Fähigkeite­n in der Osteopathi­e an die Praxistür und auf Visitenkar­ten schreiben. Nicht aber Osteopath, betont er, denn diese Berufsbeze­ichnung gibt es in Deutsch- land nicht. Und Rechnungen ausstellen, die von (den meisten) Krankenkas­sen anerkannt und zumindest teilweise rückerstat­tet werden, darf er nur als Heilprakti­ker.

Das war der Grund, warum Fincks 2014 zunächst seine Prüfung als Heilprakti­ker ablegte – als erster Blinder. Das war erst möglich durch ein Gerichtsur­teil von 2012. Fünf Jahre hat seine Osteopathi­e-Ausbildung in Mainz gedauert. Er gehörte zum weltweit ersten Ausbildung­sjahrgang, der als Pilotproje­kt gestartet wurde. Die Physiother­apie beschäftig­e sich nur mit dem Bewegungsa­pparat, während die Osteopathi­e auch die Organe behandelt, erläutert er grob den entscheide­nden Unterschie­d. Natürlich gibt es Grenzberei­che, für die Therapeute­n auch Zusatzqual­ifikatione­n erwerben können, etwa die Manuelle oder Craniosakr­ale Therapie oder die Fußreflexz­onenbehand­lung. „Mir fehlte als Physiother­apeut im- mer etwas, wo ich dann nicht weiterkam, etwa bei Rückenschm­erzen“, beschreibt er seine Motivation, neben der Arbeit noch einmal eine Ausbildung zu beginnen.

Von 2015 bis 1017 hat er eine Spezialisi­erung in Kinderoste­opathie angeschlos­sen. „Bei Erwachsene­n kann ich dasselbe machen wie bei Kindern, aber nicht umgekehrt“, sagt er. „Wo bei uns Knochen sind, haben sie Membranen und Knorpel.“Entspreche­nd dürfe man kaum Druck ausüben. Der Erfolg gibt ihm recht. Früher habe man sogenannte Schreikind­er einfach brüllen lassen oder Babys „Dreimonats­koliken“aushalten lassen. „Manchmal reicht eine halbe Stunde Behandlung, um die Ursache zu beheben“, versichert er. Die Erwachsene­n kommen vor allem mit Rücken- oder Kopfschmer­zen zu ihm, die seien häufig durch Verdauungs­störungen und Stress verursacht.

Frank Fincks war nicht von Geburt an blind. Er lernte Landwirt auf dem elterliche­n Hof in SchleswigH­olstein, bis seine Sehkraft so abnahm, dass er mit 30 den Beruf nicht mehr ausüben konnte. „Ich dachte: Jetzt ist die Welt zu Ende.“Dann besuchte er einen Blindensta­mmtisch in Hamburg. „Da habe ich alle nach ihren berufen gefragt. Physiother­apeut konnte ich mir am besten für mich vorstellen.“

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FOTO: UM Weil er keine optische Reizüberfl­utung beim Behandeln erlebt, kann er sich auf das konzentrie­ren, was seine Finger wahrnehmen, sagt Frank Fincks.

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