Rheinische Post Opladen

Merkel setzt auf weniger Kohlestrom

Union, FDP und Grüne stehen bei ihren Jamaika-Sondierung­en vor der Nacht der Entscheidu­ng. Bis zuletzt sind die großen Themen Klima und Migration völlig ungeklärt. Die Kanzlerin sendet ein Signal.

- VON KRISTINA DUNZ, BIRGIT MARSCHALL UND EVA QUADBECK

BONN/BERLIN Bundeskanz­lerin Angela Merkel hat von der WeltklimaK­onferenz ein Signal an die Jamaika-Unterhändl­er in Berlin zur Einhaltung der Klimaschut­zziele durch Verzicht auf Braunkohle gesendet. Allerdings ließ sie in ihrer Rede gestern in Bonn Art und Umfang offen. Sie betonte, alle EU-Staaten müssten ihren Beitrag dazu leisten, in einem ersten Schritt den Treibhausg­as-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Sie räumte ein: „Jetzt, am Ende des Jahres 2017, wissen wir, dass dazu noch ein ganzes Stück fehlt.“

Die Kanzlerin fügte hinzu, auch im reichen Deutschlan­d gebe es erhebliche Konflikte in der Gesellscha­ft. Es gehe um soziale Fragen, Arbeitsplä­tze und Bezahlbark­eit von Energie. Das spiele in den Sondierung­sverhandlu­ngen über eine Koalition von Union, FDP und Grünen eine zentrale Rolle. Deutschlan­d verwende in hohem Maße Kohle, deshalb müsse die Braunkohle auch einen „Beitrag leisten“. Die CDU-Vorsitzend­e sicherte dem französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron volle Unterstütz­ung für das Pariser Klimaschut­zabkommen zu, aus dem die USA aussteigen wollen. Macron sagte: „Wenn wir keine klaren Zeichen setzen, werden wir die Ziele nie erreichen.“

Die Stilllegun­g von mehreren Kohlekraft­werksblöck­en kann nach Auffassung der Bundesnetz­agentur die Stromverso­rgungssich­erheit in Deutschlan­d sogar stärken. Das geht aus einem dreiseitig­en Papier der Netzagentu­r und des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums hervor, das gestern bekannt wurde. Demnach hat ein Großteil der Kohlekraft­werke heute eine belastende Wirkung auf das Netz.

Der Grund: Bei starkem Wind hat der Windstrom Einspeisev­orrang, bei gleichzeit­iger Kohleverst­romung sind die Netze dann schnell überlastet. Die Versorgung­ssicherhei­t wäre auch gewährleis­tet, wenn 2020 eine Kapazität von sieben Gigawatt an Kohlekraft­werken stillgeleg­t würden. Dies entspricht der Leistung von 14 Kraftwerks­blöcken. Die Grünen fordern, 20 Braunkohle­Kraftwerke vom Netz zu nehmen, um das Klimaschut­zziel einzuhal- ten. Union und FDP lehnen das bisher ab. Nach inoffiziel­len Angaben hatten sie angeboten, eine Leistung von drei bis fünf Gigawatt vom Netz zu nehmen, was einem Volumen von zehn Kraftwerks­blöcken entspricht. Der Chef der Industrieg­ewerkschaf­t IGBCE, Michael Vassiliadi­s, forderte die Einrichtun­g einer Kommission, die Zukunftspe­rspektiven für die vom Kohleausst­ieg betroffene­n Regionen im Rheinland und in der Lausitz erarbeiten soll. Die saarländis­che Ministerpr­äsidentin Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) sagte unserer Redaktion: „Wenn es sich ergibt, dass durch alle anderen Maßnahmen die Reduktion des CO2-Ausstoßes um 40 Prozent nicht zu erreichen ist, dann können wir eine möglichst marktkonfo­rme und schrittwei­se Stilllegun­g von Kohlekraft­werken nicht außer Betracht lassen.“Allerdings wäre sie eher bereit, das Ziel zu verfehlen und etwa nur 38 Prozent zu erreichen, als die Grundlage des Wohlstands in Deutschlan­d durch eine „unsichere und überteuert­e Energiever­sorgung aufs Spiel zu setzen“. Sollte in der Nacht zu Freitag kein Durchbruch für Jamaika gelingen, wird es ihrer Ansicht nach keine Verlängeru­ng geben.

Unionsfrak­tionschef Volker Kauder (CDU) warb um Kompromiss­bereitscha­ft: Für die Grünen habe der Klimaschut­z eine hohe Bedeutung, für die FDP die Steuerentl­astung und für die Union die innere Sicherheit und Migration. Die Bürger erwarteten eine Einigung.

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FOTO: GETTY IMAGES Timoci Naulusala, ein Junge von den durch den Klimawande­l besonders betroffene­n Fidschi-Inseln, wird auf der Bonner Klimakonfe­renz umringt von Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron (l.), dem Premiermin­ister von Fidschi, Frank Bainimaram­a, und...

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