Rheinische Post Opladen

Klagen über Obdachlose aus Osteuropa

Großstädte haben zunehmend mit osteuropäi­schen Obdachlose­n zu kämpfen. Einen Rechtsansp­ruch auf Hilfe haben diese Bedürftige­n nicht. In Dortmund versucht man, sie zum Gehen zu überreden. In Köln hofft man auf Hilfe vom Bund.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF/KÖLN Fast jeden Morgen bietet sich den Mitarbeite­rn des Kölner Ordnungsam­tes bei ihrem Weckdienst das gleiche Bild: Rund um den Kölner Dom liegen Obdachlose, die dort ihre Nacht verbracht haben. Viele von ihnen sind Osteuropäe­r, sogenannte Armutsflüc­htlinge aus Rumänien und Bulgarien. Ähnlich sieht es auch an vielen anderen Plätzen in der Kölner Innenstadt aus. „Diese Orte werden deshalb den ganzen Tag über von Streifen mehrfach kontrollie­rt“, sagt eine Stadtsprec­herin.

Nicht nur Köln, sondern auch andere NRW-Großstädte haben zum Teil Probleme mit einer zunehmende­n Anzahl von osteuropäi­schen Obdachlose­n. In Köln sind es schon so viele, dass einige Einrichtun­gen die Bedürftige­n nicht mehr aufnehmen können. In Dortmund versucht man das möglichst zu vermeiden. „Aber nur im absoluten Notfall. Denn klar ist auch: Die Bedürftige­n aus Osteuropa haben keinen Anspruch auf Hilfe“, sagt eine Stadtsprec­herin. „Wir versuchen, diejenigen ohne Bleibepers­pektive dazu zu bewegen, wieder in in ihre Heimat zurückzuke­hren.“Selbst in Düsseldorf, wo man einen Zustrom wie in Köln nicht verzeichne­t, werden Obdachlose aus Osteuropa derzeit an manchen Anlaufstel­len zurückgewi­esen. „Wir können bei uns derzeit keinen mehr gebrauchen, der Zeitungen verteilt. Wir sind voll“, sagt Oliver Ongaro, Sozialarbe­iter bei der Obdachlose­nzeitung „FiftyFifty“. „Deshalb müssen wir die Leute leider wegschicke­n“, betont er.

Wie viele Menschen aus Rumänien und Bulgarien derzeit auf den Straßen in Nordrhein-Westfalen leben, kann niemand mit Sicherheit sagen. Man geht aber von Tausenden aus. Nach Angaben des NRWMiniste­riums für Arbeit und Soziales gibt es landesweit insgesamt rund 25.000 Menschen, die wohnungslo­s gemeldet sind. Damit hat sich deren Zahl seit 2011 landesweit um fast 60 Prozent erhöht. NRW ist das einzige Bundesland, das überhaupt eine solche Statistik führt und dafür jährlich rund eine Million Euro ausgibt. Inwieweit die Bedürftige­n aus Südosteuro­pa in die Erhebung eingefloss­en sind, könne man beim Land nicht sagen. Knapp 40Prozent der gemeldeten Wohnungslo­sen seien Frauen. „Sie versuchen allerdings mit allen Mitteln, nicht als Wohnungslo­se identifizi­ert zu werden“, erklärt das Sozialmini­sterium. „Sie bemühen sich, sich sehr lange alleine durchzusch­lagen.“

In den von Armutszuwa­nderungen besonders betroffene­n Städten häufen sich Konflikte mit den osteuropäi­schen Obdachlose­n. Viele von ihnen sind alkoholisi­ert und pöbeln häufig Passanten an, heißt es bei den Ordnungsbe­hörden. „Akute Beschwerde­n von Bürgern und Gewerbetre­ibenden werden von uns sofort verfolgt“, sagt die Sprecherin der Stadt Köln. In Düsseldorf löste die Bundespoli­zei vor wenigen Tagen ein Obdachlose­n-Camp auf, in dem auch Rumänen wohnten.

Der Düsseldorf­er Sozialarbe­iter Ongaro sagt, dass es für Menschen aus Rumänien sehr lukrativ sei in Deutschlan­d, insbesonde­re in der Weihnachts­zeit, in irgendeine­r Form zu arbeiten. Das wäre ein Grund, wieso derzeit mancherort­s viele von ihnen auf der Straße leben würden. „Sie können zum Beispiel bei uns als Zeitungsve­rkäufer rund 300 Euro im Monat verdienen. Das ist viel Geld für sie. In ihrer Heimat haben sie maximal 100 Euro pro Monat zur Verfügung“, erklärt der Sozialarbe­iter. Außerdem, so sagt er, kämen derzeit viele Bettler aus Osteuropa gezielt in die Städte. „Auch sie schlafen auf der Straße“, stellt Ongaro fest. Ein weiterer Grund für die allgemein hohe Zahl an Obdach- losen seien auch die seit Jahren steigenden Mieten und der knapper werdende Wohnraum in Großstädte­n. Das bestätigt auch das Statistisc­he Landesamt. In seinem aktuellen Sozialberi­cht heißt es als Erklärung, dass der Konkurrenz­druck auf dem Wohnungsma­rkt nicht zuletzt auf die steigende Zahl anerkannte­r Asylbewerb­er zurückzufü­hren sei.

Auf Duisburg träfe das aber nicht zu, sagt ein Sprecher der Stadt. „Bei uns besteht kein Mangel an bezahlbare­m Wohnraum und Sozialwohn­ungen“, sagt er. In Duisburg leben fast 20.000 Rumänen und Bulgaren. Der Stadt seien aber nur wenige Fälle wohnungslo­ser Osteuropäe­r bekannt, denen im Rahmen der rechtliche­n Möglichkei­ten geholfen werden musste, so der Sprecher. „Vermutlich halten sich aber wohnungslo­se Osteuropäe­r in der Stadt auf.“

In Köln hofft man auf Hilfe von Land und Bund, denn das Problem des Zuzugs von Südosteuro­päern könne nicht auf kommunaler Ebene geklärt werden. „Wir fordern alle beteiligte­n Akteure auf, die notwendige­n Schritte zur zügigen Problemlös­ung anzugehen“, sagt Kölns Oberbürger­meisterin Henriette Reker.

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FOTOS: DPA Obdachlose sitzen in der Regel den ganzen Tag über in den Innenstädt­en, einige betteln auch. Andere bieten auch ihre Dienste an.
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